Washington/Berlin (Reuters) - Der heiß gelaufene US-Arbeitsmarkt hat sich im Oktober abgekühlt und den Finanzmärkten Sorgen vor steigenden Leitzinsen genommen.

Es kamen 150.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie aus dem am Freitag vorgelegten Arbeitsmarktbericht der Regierung hervorgeht. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten 180.000 erwartet. Händler an den Terminmärkten halten die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung bis Januar nun für sehr gering: Sie wird auf weniger als 20 Prozent taxiert. Zugleich könnten Zinssenkungen näher rücken - den Spekulationen zufolge schon ab Mai und nicht wie bislang angenommen erst im Juni.

Hinzu kommt, dass der Jobmotor im September nicht ganz so stark aufgedreht hat, wie zunächst gemeldet: Der Stellenaufbau wurde auf 297.000 von ursprünglich gemeldeten 336.000 Jobs nach unten revidiert. Die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote stieg im Oktober jedoch überraschend auf 3,9 Prozent. Experten hatten erwartet, dass die Quote auf dem Vormonatswert von 3,8 Prozent verharren würde.

In einer ersten Reaktion sprach der US-Währungshüter Thomas Barkin davon, dass der Arbeitsmarkt nun "besser ausbalanciert" sei. Doch könne er der nächsten Zinsentscheidung nicht vorgreifen, da die Zentralbank Federal Reserve noch weitere Daten sichten müsse, betonte der Chef des Fed-Bezirks Richmond auf CNBC. "Der Arbeitsmarktbericht erhärtet die These, dass die Fed am Zinshoch angelangt hat", sagte VP Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel: "Kühlt sich die US-Wirtschaft in den kommenden Quartalen ab und kommt es zu der von uns erwarteten Rezession, dürften im kommenden Jahr Zinssenkungen auf der Agenda stehen."

Das Wachstumstempo der US-Dienstleister hat sich im Oktober bereits spürbar verlangsamt, wie aus der jüngsten ISM-Umfrage hervorgeht. "Das Barometer der Dienstleistungsunternehmen fällt wie schon das Pendant des Verarbeitenden Gewerbes deutlich zurück", sagte Helaba-Experte Ralf Umlauf. Damit trübe sich die Perspektive für das Wachstum zu Beginn des vierten Quartals ein.

Die US-Zentralbank Fed bekämpft die hohe Inflation mit einer straffen geldpolitischen Linie. Sie will dabei die Konjunktur aber nicht abwürgen. Die Notenbank hielt den geldpolitischen Schlüsselsatz jüngst in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent und die Tür für eine Erhöhung offen.

"GELDPOLITIK HINTERLÄSST BREMSSPUREN"

Die Abkühlung des Arbeitsmarkts gilt der Fed als wichtige Voraussetzung, um ihr Zwei-Prozent-Ziel bei der Inflation dauerhaft zu erreichen. "Zwar ist der Stellenzuwachs weiterhin ordentlich, doch hinterlässt die straffere Geldpolitik mehr und mehr Bremsspuren", so die Einschätzung der Commerzbank-Experten Christoph Balz und Bernd Weidensteiner: "Sollte es nicht zu einer bösen Überraschung bei den bis zur Dezember-Sitzung noch anstehenden Inflationsdaten kommen, wird die Fed auch auf der letzten Sitzung im Jahr 2023 die Zinsen nicht erhöhen."

Die Aussicht auf ein Ende der Zinserhöhungen schob auch die Aktienindizes an der Wall Street an: Der Dow-Jones-Index der Standardwerte gewann 0,5 Prozent auf 34.000 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 und der Index der Technologiebörse Nasdaq legten je 0,6 Prozent auf 4346 und 13.372 Punkte zu.

Mit Blick auf den Inflationsdruck achtet die Fed auch auf das Lohnwachstum. Die durchschnittlichen Stundenlöhne legten im Oktober um 4,1 Prozent zum Vorjahr zu. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich ein Plus von 4,0 Prozent erwartet. Im Vormonat hatte sich jedoch ein Zuwachs von aufwärts revidiert 4,3 Prozent ergeben: "Alles in allem sollte sich die Fed von den Zahlen nicht unter Handlungsdruck gesetzt sehen", so das Fazit von Ökonom Ralf Umlauf von der Helaba.

(Bericht vom Ann Saphir, Shristi Achar, Lucia Mutikani, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Nette Nöstlinger. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)