--Ministerium will laut Bericht 73 Milliarden Euro für E-Autos

--Sprecherin nennt Pläne lediglich "Optionen"

--SPD, Grüne und Umweltverbände lehnen Vorstoß ab

(Neu: Reaktionen des Verkehrsministeriums, der Grünen)

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--SPD, Grüne und Umweltverbände haben Pläne von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kritisiert, nach denen laut einem Medienbericht die staatliche Kaufprämie für E-Autos bis 2027 verlängert und insgesamt 73 Milliarden Euro kosten soll. Eine Sprecherin des Ministeriums nannte die Maßnahmen lediglich "Optionen", die regierungsintern noch nicht beschlossen seien.

Zuvor hatte das Handelsblatt aus dem Entwurf für ein Klimaschutzsofortprogramm zitiert, nach dem die staatliche Kaufprämie für E-Autos bis 2027 gezahlt werden und auf bis zu 10.800 steigen soll. Auch soll demnach ab dem zweiten Halbjahr 2023 eine neue Abwrackprämie für alte Pkws mit Verbrennungsmotor gezahlt werden. Laut Koalitionsvertrag sollten die staatlichen Kaufprämien eigentlich 2025 auslaufen und ab kommendem Jahr nur noch für Autos mit einem nachweislich positiven Klimaschutzeffekt gezahlt werden.

Das Bundesverkehrsministerium betonte, dass es sich bei dem vorgelegten Gesamtpaket zu den Klimaschutzsofortmaßnahmen um mögliche Optionen handle, wie unter Vermeidung von Verboten, Steuer- und Abgabenerhöhungen Klimaschutz betrieben werden könne.

"Keine dieser Maßnahmen ist aktuell beschlossen, noch steht fest, ob sich die Bundesregierung diese zu eigen machen wird", teilte eine Sprecherin mit. "Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger für klimafreundliche Mobilität begeistern und setzen dabei auf marktwirtschaftliche Anreize."

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, dass es aktuell weder ein finales Klimaschutzsofortprogramm mit einzelnen Maßnahmen aller Ressorts noch die gutachterliche Bewertung der Klimaschutzeffekte gebe.


   SPD sieht darin unnötigen Vorschlag 

Die vom Handelsblatt berichteten Pläne des Verkehrsministeriums lösten indes scharfe Kritik beim Koalitionspartner SPD aus. "Das ist weder durch den Koalitionsvertrag gedeckt, noch gab es dazu Gespräche, von den bislang getroffenen Vereinbarungen abzuweichen", erklärte Detlef Müller, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. "Ich bin verwundert, dass wir seit Wochen über einen unterfinanzierten ÖPNV und fehlende Milliarden zum Ausbau der Schiene diskutieren, um die sich Wissing bei den Haushaltsverhandlungen nicht einmal bemüht hat, und der Minister dann mit so einem teuren und unnötigen Vorschlag für das Auto um die Ecke kommt."

Er warf dem Minister vor, sich in FDP-Klientelpolitik zu versuchen und an der Sache vorbei zu arbeiten. "Wenn Volker Wissing so weitermacht, verlieren wir Jahre für die Stärkung der Bahn und erreichen verkehrspolitisch nichts für den Klimaschutz", so Müller.


   Grüne fordern Ende des Stillstands im Verkehrsministerium 

Die Grünen betonten an die Adresse des Verkehrsministeriums gerichtet, dass Wegducken beim Klimaschutz keine Option sei. "Nach Jahren des Stillstands unter drei Unions-Verkehrsministern müssen wir auch im Mobilitätssektor endlich mit dem Klimaschutz vorankommen", erklärte Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. "Wir erwarten von Verkehrsminister Wissing Vorschläge, mit welchen Maßnahmen er den im Verkehr notwendigen Beitrag zu den Klimaschutzzielen, denen Deutschland sich verpflichtet hat, leisten will."

Für die Grünen seien ein attraktives und leistungsfähiges öffentliches Bus- und Bahn-Angebot, eine deutliche Förderung von Rad- und Fußverkehr und Anreize und die Vermeidung von unnötigen Fahrten wesentliche Bausteine der notwendigen Verkehrswende.


   Umweltverbände nennen Vorschlag absurd 

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, nannte Wissings Pläne absurd und verlieh ihm den Titel "Vertreter der Automobilkonzerne im Bundeskabinett". "Während BMW, Mercedes und VW im vergangenen Jahr einen Allzeit-Rekordgewinn von 41 Milliarden Euro dank der üppigen Förderungen der Bundesregierung ausweisen konnten, sollen bis 2027 weitere 73 Milliarden Euro an Abwrack- und Kaufprämien folgen", so Resch. Damit wolle der Minister aber lediglich 4 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Jahr einsparen. "Mehr als das Doppelte, nämlich 9,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, würde ein Tempolimit 100/80/30 bringen - und das kostenlos", so Resch.

Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt nannte Wissings Pläne "FDP-Klientelpolitik". Statt den Kauf von Autos zu fördern, sollte besser "in eine neue Mobilität mit weniger Autos investiert werden", sagte Bandt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für den Greenpeace-Verkehrsexperten Tobias Austrup sind die Pläne ein "sündteures Geschenk an die Autoindustrie". Für den Klimaschutz brächten sie hingegen "so gut wie nichts".


   Nahezu Verdoppelung der Kaufprämie laut Bericht geplant 

Laut Handelsblatt sehen die Pläne des Verkehrsministeriums vor, dass bei einem Autokaufpreis von maximal 40.000 Euro künftig statt 6.000 Euro 10.800 Euro und damit mehr als 25 Prozent des Kaufpreises vom Staat gezahlt werden sollen. Hinzu komme noch der Zuschuss der Hersteller von 3.000 Euro, den diese ebenfalls weiter bis 2027 gewähren sollen. Bei teureren Fahrzeugen bis 60.000 Euro plant der Minister mit einer Prämie von 8.400 statt der heute zugesagten 5.000 Euro. Ab dem zweiten Halbjahr 2023 müssten demnach Käufer ein mindestens elf Jahre altes Verbrenner-Auto verschrotten, um noch die volle Förderung zu erhalten. Der Wert der Abwrackprämie könnte entsprechend bei etwa 1.500 Euro liegen, so der Bericht.

Den Kauf von Plug-In-Hybriden will Wissing laut Handelsblatt im Gegensatz zu Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weiter bis 2024 fördern und nicht bereits in diesem Jahr beenden. Den Zuschuss will er halbieren, auf 2.250 beziehungsweise 1.875 Euro je nach Kaufpreis. Das Verkehrsministerium nannte in seiner Stellungnahme zu dem Bericht keine Details des vorgeschlagenen Klimaschutzsofortprogramms.

(Mit Material von AFP)

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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May 09, 2022 11:46 ET (15:46 GMT)