Die Finanzmärkte waren diese Woche trotz der Aussicht auf neue geldpolitische Straffungen in Europa und den USA bis zum Jahresende deutlich im Aufwind. Beflügelt wurden sie von den abflauenden Rezessionsängsten, soliden US-Konjunkturdaten und einem erneuten Inflationsrückgang. Die Risikobereitschaft scheint daher im Vorfeld der in wenigen Tagen beginnenden Berichtssaison für das 2. Quartal ungebrochen.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
461.93  +1.94%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4450.38  +2.35%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
33189.04  +1.24%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1918.80$  -0.34%
Chart GOLD
BRENT OIL
75.10$  +0.47%
Chart BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.09$  +0.01%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

TOPS

Joby Aviation (+58%): Das US-Unternehmen, das mit seinem Partner und größten externen Anteilseigner Toyota elektrisch angetriebene Passagierflugzeuge entwickelt, gab bekannt, dass es von den Behörden ein Lufttüchtigkeitszertifikat für das allererste VTOL-Flugzeug (Senkrechtstarter) erhalten hat, das in seiner Pilotproduktionslinie in Kalifornien hergestellt wurde. Das E-Flugzeug-Startup, in das nach Unternehmensangaben nun der südkoreanische Mobilfunkanbieter SK Telecom 100 Mio. USD investiert hat, kann ab sofort Testflüge durchführen und will 2025 mit seinem Elektroflugzeug den kommerziellen Passagierbetrieb aufnehmen.

IonQ (+44%): Das US-Unternehmen für Quantencomputer vermeldet eine gute Nachricht nach der anderen. Jetzt hat IonQ eine Partnerschaft mit QuantumBasel geschlossen. Gemeinsam will man ein europäisches Quantenrechenzentrum in der Schweiz errichten. Vor diesem Hintergrund erhöhte das Unternehmen seinen Ausblick für die Buchungen im Jahr 2023 auf 45-55 Mio. USD (zuvor 38-42 Mio. USD). Gestern gab das Unternehmen dann bekannt, dass es eine Absichtserklärung mit dem südkoreanischen Ministerium für Technologie unterzeichnet hat, um Fachkräfte auszubilden und die Schaffung eines lokalen Quanten-Ökosystems zu fördern. Nicht zuletzt hob Needham & Co. sein Kursziel für die Aktie an.

SES-Imagotag (+40%): SES-Imagotag schlägt zurück. Der Anbieter für elektronische Preisschilder und digitale Lösungen für Einzelhändler, über den Gotham City letzte Woche einen vernichtenden Bericht veröffentlicht hatte, entkräftete mittels einer Bestätigung seiner Wirtschaftsprüfer die Vorwürfe des US-amerikanischen Leerverkäufers, die Ergebnisse überbewertet zu haben. Das französische Unternehmen veröffentlichte daraufhin auch gleich noch Rekordergebnisse für das abgelaufene Quartal. Doch damit nicht genug: SES-Imagotag kündigte an, den Fall vor Gericht zu bringen.

Opendoor technologies (+39%): Der Kurs der US-amerikanische Plattform für Immobilienverkäufe profitierte davon, dass das Analysehaus JMP Securities die Empfehlung für den Titel auf Kaufen hochgestuft und das Kursziel von 2,5 USD auf 5 USD angehoben hat. Hintergrund ist die Einschätzung, dass die nachlassenden Immobilienpreisschwankungen zu steigenden Gewinnen und einer Aktienkurserholung führen könnten.

Fomento de construcciones y contratas S.A. (FCC) (+28%): Das in Spanien ansässige Unternehmen, das im Bauwesen und in den Bereichen Wassermanagement und Umweltdienstleistungen tätig ist, kündigte gestern ein öffentliches Angebot zum Rückkauf eigener Aktien an, woraufhin die Aktie zum Höhenflug ansetzte. Man will für mehr als 400 Mio. EUR 7% des Kapitals erwerben, was einem Aufschlag von 38% auf den Durchschnittskurs der letzten sechs Monate entspricht.

Wise plc (+26%): Dem britischen Zahlungsdienstleister geht es gut. Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnten die Einnahmen um 51%, der Gewinn um 234%, das EBITDA um 97% und die Bruttomarge um 73% gesteigert werden. Positiv hatte sich vor allem die Zunahme der aktiven Kunden um 34% auf rund 10 Millionen ausgewirkt. Die Gruppe rechnet jedoch im Laufe des Geschäftsjahrs 2024 mit einer Wachstumsverlangsamung bzw. einem Anstieg der Einnahmen im Bereich von 28-33%.

Hennes & Mauritz (+19%): Der schwedische Fast-Fashion-Konzern, der gegen seinen Konkurrenten Inditex eine Aufholjagd gewinnen möchte, hat einen Quartalsgewinn von 403 Mio. EUR ausgewiesen. Dieser liegt zwar unter dem Ergebnis des Vorjahreszeitraums, konnte die Markterwartungen aber übertreffen. Der Einzelhändler hat beschlossen, den Fokus auf die Premium-Marke COS zu erhöhen, und bestätigte den guten Start ins 3. Quartal sowie die Zielvorgabe für das kommende Jahr: eine Marge von 10%. Das Analysehaus Jefferies hat sein Kursziel von 120 SEK auf 165 SEK angehoben.

FLOPS

Casino Guichard-Perrachon (-46%) & CNOVA (-30%): Casino und seine E-Commerce-Tochter Cnova setzen ihre steile Talfahrt fort. Diese Woche wurde das Ende der Herrschaft von CEO Jean-Charles Naouri besiegelt: Unabhängig vom Ausgang der Umstrukturierung des verschuldeten Unternehmens werden die Anteile der derzeitigen Aktionäre verwässert und die Holdinggesellschaft Rallye, deren Vorsitz Naouri innehat, wird die Kontrolle über den Einzelhändler verlieren. Anwärter auf eine Übernahme oder eine Aufstockung des Eigenkapitals können noch bis zum 3. Juli ihr Angebot vorlegen.

Viking Therapeutics (-23%): Das biopharmazeutische Unternehmen aus den USA gerät durch die Konkurrenz am einträglichen Markt für Präparate zur Gewichtsabnahme unter Druck. Eli Lilly hat vergangene Woche verheißungsvolle Phase-2-Daten für ein entsprechendes Medikament veröffentlicht und der Pfizer-Konzern will eigenen Angaben zufolge sein Adipositas-Medikament in eine Phase-3-Studie überführen. VK2735, das Präparat von Viking, wird bei der Markteinführung wahrscheinlich mit hartem Wettbewerb rechnen müssen.

Walgreens Boots Alliance (-10%): Die US-amerikanische Drogerie- und Apothekenkette fiel bei den Anlegern in Ungnade, nachdem sie ihre Gewinnprognosen für das Gesamtjahr aufgrund der schwierigen Wirtschaftsbedingungen gesenkt hatte. Der Konzern leidet auch unter dem Absatzrückgang von Covid-Impfstoffen und -Tests. Somit ist der Aktienkurs auf ein seit über 10 Jahren nicht mehr verzeichnetes Tief abgerutscht. Im abgelaufenen Quartal ist der Umsatz des Konzerns gestiegen, der Gewinn je Aktie allerdings gesunken. Die Analysten von Deutsche Bank Securities haben ihre Empfehlung und ihr Kursziel nach unten angepasst.

Vimian Group AB (-12%): Der schwedische Spezialist für Tiergesundheit und -arzneimittel hat bekannt gegeben, dass Fredrik Ullman, CEO der Gesellschaft seit ihrer Gründung im Jahr 2020, das Unternehmen verlassen wird, sobald sein Nachfolger seinen Posten übernimmt.

UCB (-4%): Das belgische Biopharma-Unternehmen, das sich auf schwere Störungen des Nerven- und Immunsystems spezialisiert hat, musste Federn lassen, nachdem die Einführung des für die Umsatzentwicklung entscheidenden Psoriasis-Medikaments Bimzelx in den USA erneut verschoben wurde. Die Gruppe hat jedoch von den US-Behörden die Zulassung für sein Präparat zur Behandlung der Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis erhalten. Des Weiteren wurde das Ausscheiden von Charl van Zyl, Leiter des Bereichs Neurologie, bekannt gegeben.

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Ölpreise stiegen am Freitag leicht an. Die Sorte Brent steht kurz vor ihrem ersten Monatsplus in diesem Jahr und profitiert vom massiven Abbau der US-Ölbestände. Die Marktanteilnehmer befürchten allerdings, dass mögliche neue Zinserhöhungen die Kraftstoffnachfrage bremsen könnten. Obwohl die Sorten Brent und WTI diesen Monat wahrscheinlich mit einem Plus beenden werden, ist ein Quartalsverlust von ca. 6% bis 7% zu erwarten. Die Trader verfolgen aufmerksam die Entwicklung des Angebots und der Wirtschaftsdaten.

Metalle: Der Goldpreis wird wohl die dritte Woche in Folge im Minus beenden. Die Anleger wetten zunehmend auf weitere Zinsanhebungen der Federal Reserve nach der Veröffentlichung solider Arbeitsmarkt- und BIP-Zahlen in den USA. Das Edelmetall fiel zum ersten Mal seit Mitte März unter die Marke von 1.900 USD je Feinunze, machte seine Verluste aber anschließend zum Teil wieder wett. Trotz der kräftigen physischen Nachfrage aus China wird Gold aller Voraussicht nach in den nächsten sechs Monaten seinen Aufschlag gegenüber den Fundamentaldaten einbüßen. Kupfer legte getragen von Hoffnungen auf eine Konjunkturbelebung in China am Freitag zwar zu, wird aber vermutlich den größten Quartalsverlust seit September verzeichnen. Schuld daran sind die schwachen Wirtschaftsdaten aus China und die Aussicht auf weitere Zinsanhebungen.

Agrarprodukte: Vergangene Woche hat der Palmölpreis sein höchstes Niveau seit mehr als sieben Wochen erreicht. Auftrieb lieferte die starke Entwicklung von Sojaöl und die Schwäche der malaysischen Währung. Im späteren Jahresverlauf und Anfang 2024 könnten sich die Auswirkungen von El Nino auf Vietnam bemerkbar machen, denn die Kaffee- und Reisproduktion des Landes wird von stärkerer Trockenheit im zentralen Hochland und im Süden belastet. Des Weiteren hat Russland seinen Einfluss auf die weltweite Weizenversorgung verstärkt.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Die Wochen gehen ohne große Neuigkeiten ins Land. Im Rahmen des jährlichen EZB-Forums trafen sich die Notenbankchefs zwei Tage lang im portugiesischen Sintra. Christine Lagarde bekräftigte bei dieser Gelegenheit ihre feste Entschlossenheit, an ihrer restriktiven Politik zur Inflationsbekämpfung festzuhalten und bis 2025 das Inflationsziel von ca. 2% wieder zu erreichen. Ihr US-Kollege Jerome Powell schlug ähnliche Töne an und schließt erneute Zinserhöhungen bereits auf der nächsten Sitzung im Juli nicht aus. Die IWF-Vizechefin Gina Gopinath hält dieses Ziel allerdings für zu ehrgeizig und erklärte, dass es historisch noch keinen derartigen Inflationsrückgang ohne eine schwere Rezession gegeben hätte. Damit sind wir zumindest gewarnt. Die Aktienmärkte scheinen sich inzwischen an die neue wirtschaftliche Realität auch jenseits des Atlantiks zu gewöhnen. Bis vor Kurzem ging der Anstieg des US-Börsenbarometers S&P 500 auf das Konto einer (sehr) geringen Zahl von Titeln (im Wesentlichen die US-Technologieriesen und NVIDIA). Nun scheint die Aufwärtsbewegung immer mehr Aktien mitzunehmen. Das belegt der Anstieg von Nebenwerten, die im Juni den S&P 500 überholten. Die Anleger schwanken, ob es sich um eine einfache Erholung oder eine neue Hausse handelt. Daher sind sie zögerlich und verfolgen aufmerksam die Entwicklung der Verbraucherpreise, deren Anstieg im Mai mit 0,1% niedriger war als im April (+0,6%).

Anleihen: Die Bekämpfung der Inflation steht nach wie vor im Mittelpunkt der Zentralbankpolitik - und das nicht zu Unrecht: Zwar sprechen alle Indikatoren dafür, dass die seit über einem Jahr andauernde Straffung der Geldpolitik zur Stabilisierung der Inflation beigetragen hat, doch bislang ist es nicht gelungen, sie nachhaltig zurückzudrängen. Der US-Kernverbraucherpreisindex verzeichnete im Mai wie erwartet eine Teuerungsrate von 0,3%, was einer Jahresrate von 4,6% entspricht. Die Prognose hatte bei 4,7% gelegen. Dem FedWatch-Tool der CME (Chicago Mercantile Exchange) zufolge wird die US-Notenbank Fed jedoch bei der nächsten Sitzung im Juli mit einer Wahrscheinlichkeit von weit über 80% erneut an der Zinsschraube drehen. Die Rendite 2-jähriger US-Treasuries steigt indes weiter in Richtung ihres März-Höchststands von 5,08%. Demgegenüber bewegt sich die Rendite 10-jähriger deutscher Bundesanleihen weiterhin innerhalb einer engen Bandbreite von 2,20-2,55%, und die jeweiligen veröffentlichten Wirtschaftsdaten scheinen nichts daran ändern zu können.

Devisen: Diese Woche gehörte die Bühne nicht so sehr den großen westlichen Ländern, sondern eher Russland und der Türkei. Der Aufstand der Wagner-Truppen unter ihrem Anführer Prigoschin trübte das Anlegervertrauen. Daran änderten auch die Beruhigungsversuche des russischen Präsidenten Putin im Fernsehen nichts. Der russische Rubel setzte seine Talfahrt gegenüber dem Euro (1 EUR = 97,74 RUB) und dem US-Dollar (1 USD = 89,61 RUB) fort.

In der Türkei sorgt derzeit vor allem die makroökonomische Lage für Chaos. Dieses Jahr hat die Inflation die Marke von 40% durchbrochen, nachdem die Rate 2022 bei 72% gelegen hatte. Die Zentralbank hatte bei ihrer letzten Sitzung beschlossen, den Leitzins in einem Schritt um 6,5% anzuheben. Die Anleger machen sich Sorgen, dass das Land auf eine größere Wirtschaftskrise zusteuern könnte. Infolgedessen wertet die türkische Lira gegenüber dem US-Dollar (1 USD = 26,07 TRY) und dem Euro (1 EUR = 28,45 TRY) weiter ab.

Kryptowährungen: Die US-amerikanische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde SEC hat die Anträge auf Zulassung von Spot-Bitcoin-ETFs mehrerer traditioneller Finanzinstitute abgelehnt und damit die führende Kryptowährung letzte Woche erschüttert. Seit Montag hat sich der Bitcoin jedoch im Bereich von 30.000 USD stabilisiert und geringfügig um 1% verloren. Ether traf es etwas härter und lag bei Redaktionsschluss ca. 3% im Minus. Die SEC hatte einige Fonds, die Spot-Bitcoin-ETFs einführen wollen, bereits gewarnt, dass die "Form" des Antrags unzureichend sei, allen voran BlackRock. In den nächsten Tagen werden wir aber wohl noch mehr über die endgültige Entscheidung zu diesen Anträgen erfahren.
Kurs und Volumen
Warten auf die Bestätigung des Trends
Die kommende Woche dürfte den Anlegern mehr Klarheit über den Zustand der Weltwirtschaft und die Geldpolitik der Zentralbanken verschaffen. Am Montag wird der ISM-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in den USA veröffentlicht, am Mittwoch folgt das FOMC-Protokoll und am Donnerstag stehen die aktuellen Zahlen zu den Arbeitssuchenden und den neu geschaffenen Arbeitsplätzen in den USA auf dem Programm. Am Mittwoch tagt die OPEC und am Freitag werden die US-Arbeitslosenquote sowie die durchschnittlichen Stundenlöhne in den USA erwartet.
Wir wünschen Ihnen allen ein schönes Wochenende!
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.