--Volkswagen will Urteil anfechten

(NEU: Erklärung des Gerichts, Reaktion von Volkswagen)

SCHLESWIG (AFP)--Weiterer Rückschlag für VW im Dieselskandal: Viele Dieselmodelle der Marken Audi, VW und Seat sind nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts auch weiterhin mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet und könnten zurückgerufen oder nachgerüstet werden müssen. Das Gericht gab am Mittwoch in einer mündlichen Verhandlung in erster Instanz einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Freigabe von 62 Fahrzeugtypen durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) statt. Der Volkswagen-Konzern kündigte umgehend an, das Urteil anzufechten.

"Die Freigaben hätten nicht erfolgen dürfen", erklärte das Gericht. Es beanstandet die Nutzung eines sogenannten Thermofensters, welches die Abgasreinigung des Motors temperaturabhängig regelt, als unzulässige Abschalteinrichtung. Gleiches gelte für die "Taxi-Schaltung", die nach 900 Sekunden im Stand die Abgasrückführung reduziert, sowie eine höhenabhängige Abschalteinrichtung.

Die fraglichen Modelle mit EA-189 Motor der Abgasklasse Euro 5 waren vom Dieselskandal betroffen, der 2015 ans Licht gekommen war: Sie hielten gesetzliche Schadstoffgrenzwerte nur auf dem Prüfstand ein, aber nicht im normalen Straßenverkehr. Die Hersteller rüsteten dann nach - unter anderem mit den nun vom Verwaltungsgericht beanstandeten Technologien - und das KBA genehmigte dies.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied allerdings später, dass es sich bei besagten Thermofenstern in vielen Fällen ebenfalls um unzulässige Abschalteinrichtungen der Abgasreinigung handelt. Die DUH klagte daraufhin gegen die Freigabe des KBA für eine ganze Reihe von Dieselmodellen auch anderer Hersteller und erhielt bereits im vergangenen Februar in Bezug auf ein VW-Modell Recht. Das Verwaltungsgericht in Schleswig ist zuständig, weil das KBA in Flensburg sitzt.

Das Gericht verwies nun auf die EuGH-Einschränkung, dass ein Thermofenster nur ausnahmsweise zugelassen werden darf, wenn es "zur Vermeidung einer schweren Gefahr für den Motor und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig ist". Die Autohersteller hätten nicht dargelegt, dass dies bei den fraglichen Modellen der Fall sei. Entsprechend müsse das KBA nun "geeignete Maßnahmen" ergreifen.

Die Entscheidung in ihrem Sinne für 62 weitere Modelle bezeichnete die DUH als "Paukenschlag-Urteil für die saubere Luft in Deutschland". "Millionen Diesel-Pkw von Volkswagen, Seat und Audi müssen stillgelegt oder auf Kosten der Hersteller mit einer neuen Abgasreinigung ausgestattet werden." Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht ließ Berufung und Revision zu.

Volkswagen bezeichnete das Urteil als "fehlerhaft und unbegründet". Wie bereits gegen die Entscheidung vom Februar 2023 werde der Konzern Rechtsmittel einlegen. Das Verwaltungsgericht habe "das faktische Risiko eines Motor- und Fahrzeugbrandes bei einem Betrieb des Fahrzeugs ohne das Thermofenster" entgegen der europäischen Rechtsprechung als nicht beachtenswert eingestuft.

Der Verbraucheranwalt Claus Goldenstein geht davon aus, dass es "vermutlich noch Monate oder sogar Jahre dauern (wird), bis es tatsächlich zu erneuten Rückrufen in der Sache kommt". VW zeigte sich siegessicher: "Es drohen weder behördliche Stilllegungen von Fahrzeugen noch sind Hardware-Nachrüstungen erforderlich."

DJG/brb

(END) Dow Jones Newswires

January 17, 2024 12:12 ET (17:12 GMT)