--Destatis erwartet für viertes Quartal keinen BIP-Rückgang

--Statistiker sehen statistischen Überhang für 2023 von 0,2 Prozent

--Destatis sieht kaum Revisionsbedarf für erstes bis drittes Quartal

(NEU: Details aus der Destatis-Pressekonferenz, Kommentare von Volkswirten)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft könnte in diesem Winter an einer "technischen Rezession", also einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in zwei aufeinander folgenden Quartalen, vorbei kommen. Nach Einschätzung des Statistischen Bundesamts (Destatis) dürfte das BIP im vierten Quartal 2022 stagniert haben - wenn die noch ausstehenden Konjunkturdaten für Dezember nicht zu schwach ausfallen. Für die Wirtschaft im Gesamtjahr 2023 würde das zu einem rechnerischen Rückenwind von 0,2 Prozent führen. Im Gesamtjahr 2022 stieg das preisbereinigte BIP wie erwartet um 1,9 (kalenderbereinigt: 2,0) Prozent, nachdem es 2021 in beiden Abgrenzungen um 2,6 Prozent zugelegt hatte.

"Vielleicht gibt es im ersten Quartal einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, aber schon im zweiten könnte es wieder ein Plus geben", kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe, die Prognose des Statistischen Bundesamts. Insgesamt seien die Konjunkturhoffnungen jedoch nicht besonders groß, da es wegen der Energiepolitik zu einer zusätzlichen Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit komme. "Dass die zuletzt erlittenen Wohlstandsverluste aufgeholt werden, ist unwahrscheinlich", befand Krüger.


   ING: Dezember könnte ungewöhnlich schwach gewesen sein 

ING-Europa-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sieht die Destatis-Prognose für das vierte Quartal mit etwas Skepsis. "Normalerweise sind die Schätzungen sehr akkurat, aber in diesem Jahr könnte die Entwicklung im Dezember volatiler und ungünstiger als in der Vergangenheit verlaufen sein", schrieb er in einem Kommentar unter Verweis auf Witterungseinflüsse, längere Weihnachtsferien und den Einfluss der Energiekrise auf Konsum und Produktion. Nach Aussage der Statistiker gibt es tatsächlich Hinweise darauf, dass der Dezember konjunkturell schwächer als November und Oktober gewesen ist.

Erweist sich die Destatis-Prognose bei der Veröffentlichung der BIP-Zahlen für das vierte Quartal am 30. Januar als richtig, gibt es für 2023 einen statistischen Überhang von 0,2 Prozent. Das ist die Wachstumsrate, die im Jahresdurchschnitt 2023 gegenüber 2022 verbliebe, wenn das BIP auf dem Niveau des vierten Quartals 2022 stagnieren würde. Nach Angaben der Statistiker gibt es für das erste bis dritte Quartal kaum Revisionsbedarf.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet, dass das deutsche BIP 2023 um 0,5 Prozent sinken wird. "Die massiv gestiegenen Energiepreise sollten in diesem Jahr nicht zu einer tiefen Rezession führen", schrieb Krämer allerdings. Dennoch rechnet er weiter mit einer milden Rezession, weil die Zentralbanken überall in der westlichen Welt wegen der hohen Inflation ihre Leitzinsen deutlich angehoben hätten.


   Commerzbank erwartet für Gesamtjahr 2023 milde Rezession 

"Die zinssensitiven Bauaufträge sind in Deutschland bereits deutlich gefallen, auch bei den Unternehmensinvestitionen sollten bald Bremsspuren sichtbar werden", argumentierte er. Für eine milde Rezession spreche auch, dass die Entlastungspakete der Bundesregierung nicht so zielgenau sein könnten, dass jeder private Haushalt und jedes Unternehmen weitgehend von den Folgen der hohen Energiekosten entlastet werde.

Im Jahr 2022 war das Wachstum vor allem vom privaten Konsum (plus 4,6 Prozent) und den Ausrüstungsinvestitionen (plus 2,5 Prozent) gestützt worden, gebremst dagegen vom Außenhandel, weil die Importe deutlich stärker als die Exporte wuchsen. Die Statistiker wiesen darauf hin, dass es beim privaten Konsum nach dem Ende der Corona-Schutzmaßnahmen zu massiven Nachholeffekten gekommen sei, bei denen auch die Auflösung von Ersparnissen eine Rolle gespielt habe.

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January 13, 2023 05:52 ET (10:52 GMT)