GEGENHALTEN

Boston / Zürich, 14. Februar 2017 - James Swanson erläutert anhand von sieben Warnzeichen das Nachlassen des Geschäftszyklus'.

Seit den US-Wahlen im letzten Herbst waren die Anleger wie elektrisiert, doch nach meiner Erfahrung haben Präsidentenwechsel einem in die Jahre gekommenen Konjunkturzyklus noch nie neues Leben eingehaucht. Der derzeitige Aufschwung wird jetzt acht Jahre alt. Zum Vergleich: Im Schnitt dauerten Konjunkturzyklen in den USA fünf Jahre, und der längste Zyklus aller Zeiten gerade einmal zehn. In den letzten Monaten hat sich das Weltwirtschaftswachstum etwas beschleunigt. Es gibt aber wenig Anzeichen dafür, dass dies mehr ist als ein kurzfristiges Zwischenhoch, in einem Zyklus mit vielen Auf und Abs. In den USA steigen die Realeinkommen weniger stark und die Gewinnmargen gehen zurück. Hinzu kommen einige schwache Frühindikatoren. Ich meine deshalb, dass Investoren über den Schutz ihres Kapitals nachdenken sollten - für den Fall, dass der Konjunkturzyklus plötzlich endet.

Ist der fast achtjährige Anstieg der Aktienkurse und der Bewertungen gerechtfertigt? Eindeutig ja. Seit März 2009 verzeichnete der S&P 500 Index etwa 250% Gesamtertrag, vor allem aus zwei Gründen: erstens wegen der weltweit extrem lockeren Geldpolitik nach der Bankenkrise, durch die die Erträge sicherer Anlagen so niedrig wurden, dass risikoreichere Titel plötzlich wesentlich attraktiver schienen als sonst. Und zweitens wegen der gestiegenen Gewinnmargen - die in diesem Konjunkturzyklus etwa 80--90% höher waren als im Langfristdurchschnitt - und der höheren Cashflows.

Aber beides könnte schon bald zu Ende gehen. Die Notenbanken werden weniger expansiv. Die Fed befindet sich in einem Zinserhöhungszyklus, und es steigt der Druck auf die europäische Zentralbank und andere, ihr Quantitative Easing zu verringern. Die Gewinnmargen gehen zurück, weil internationale Unternehmen aufgrund der zurzeit wenig globalisierungsfreundlichen Politik weniger stark auf billige ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen. Hinzu kommen steigende Kapitalkosten, da die Zinsen steigen. Wegen niedriger Investitionen haben sich die Gewinnmargen zwar einigermaßen gehalten, doch schwächt dies auch den zukünftigen Produktivitätsanstieg. Die Bilanzen grundsolider Unternehmen haben sich zuletzt verschlechtert, da Fremdkapitalquote und Schuldendienstdeckungsgrad auf ein Niveau gestiegen sind, wie wir es letztmals vor dem Höhepunkt des US-Immobilienzyklus im Jahr 2007 hatten. All dies lässt Zweifel aufkommen, ob die Unternehmen ihre Gewinne tatsächlich so stark steigern können, dass die derzeit sehr hohen Bewertungen gerechtfertigt sind.

Natürlich könnten Aktien weiter steigen, aber die Investorenerträge hängen sehr stark vom Einstiegszeitpunkt ab. Wer jetzt, bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21 (gemessen an den Gewinnen der letzten zwölf Monate) in den S&P 500 einsteigt, hat nur einen kleinen Puffer, wenn die derzeitige Euphorie nachlässt. Noch deutlicher wird dies, wenn man das durchschnittliche KGV der letzten 40 Jahre betrachtet, das nahe 16 liegt. Small Caps und Substanzwerte sind sogar noch teurer. Ihre KGVs nähern sich Allzeithochs.

In der Vergangenheit waren die Erträge meist niedrig, wenn man Aktien zu überdurchschnittlichen Bewertungen gekauft hat. Hinzu kommt, dass der durchschnittliche Aktienpreisrückgang während einer Rezession nach Angaben von Ned Davis Research 24% beträgt (seit dem letzten Höchststand). Manchmal fallen die Kurse sogar noch stärker. Während der internationalen Finanzkrise gab der S&P 500 fast 57% nach, bis er im März 2009 seinen Tiefststand erreichte.

Wie eingangs gesagt, setzte der Markt in diesem Herbst zu einem Aufschwung an, als sich der Weltwirtschaftsausblick verbesserte. Als dann ein neuer US-Präsident gewählt wurde, der eine Reflationspolitik mit Steuersenkungen, Infrastrukturausgaben und aufsichtsrechtlichen Reformen ankündigte, beschleunigte sich die Kursrallye weiter. Eine meiner größten Sorgen ist aber, dass die Marktteilnehmer zurzeit vom besten aller denkbaren Szenarien ausgehen und die vielen Risiken ausblenden, während sie die Reflationsgeschichte nur zu gerne glauben. Auch Präsident Trump muss sich damit abfinden, dass in Washington die Mühlen bestenfalls langsam und schlechtestenfalls überhaupt nicht mahlen. Selbst wenn ein Gesetz verabschiedet ist, kann es Monate oder Jahre dauern, bis die Infrastrukturprojekte tatsächlich in Gang kommen - denn sie erfordern langwierige Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen. Das schwächt die Stärkung der Konjunktur. Da der Kongress alle zwei Jahre neu gewählt wird, hat der neue Präsident realistisch gesehen nur etwa 18 Monate Zeit, um seine wichtigsten Gesetzesvorhaben durchs Parlament zu bringen. Danach beschäftigen sich die Mitglieder des Repräsentantenhauses mit ihrer Wiederwahl, was das politische System weiter bremst. An den Märkten scheint man aber damit zu rechnen, dass große Konjunkturprogramme bereits in diesem Jahr wirken. Ich glaube, dass man sie erst später spürt - und auch nicht so stark wie die Kurse glauben machen.

Ein letzter Punkt: Es ist nicht einfach, das Ende eines Konjunkturzyklus zu prognostizieren. Es gibt aber eine Reihe von Warnsignalen, auf die ich achte und die zurzeit, wenn auch in unterschiedlichem Maße, relevant sind:

1. abnehmende Gewinnmargen und abnehmender Anteil der Gewinne am BIP

2. deutlich mehr Fusionen und Übernahmen

3. steigende Zinsen

4. ein starker US-Dollar

5. eine "Story'', die trotz nachlassender Fundamentaldaten ein Andauern des Zyklus rechtfertigt

6. mangelnde private Investitionen

7. deutlicher Anstieg der Unternehmens- und Verbraucherkredite

Ich kann nicht prognostizieren, ob der Markt 2017 steigt oder fällt. Angesichts der äußerst hohen Bewertungen sollten sich Investoren aber vielleicht mit dem Thema Kapitalschutz befassen. In diesem außergewöhnlichen Konjunkturzyklus hat man viel verdient. Kurzfristig noch mehr zu verdienen, könnte aber schwierig werden.

Bitte klicken Sie hier, um James Swansons vollständigen Kommentar in englischer Sprache zu lesen:

MFS Swanson Strategist's Corner: Leaning Against the Wind

ENDE


Bild von James Swanson (JPG)
Strategist's Corner Februar 2017 (PDF)



Provider
Channel
Contact
Tensid EQS Ltd., Switzerland
www.tensid.ch


newsbox.ch
www.newsbox.ch


Provider/Channel related enquiries
marco@tensid.ch
+41 41 763 00 50