(Neu: Zinsentscheidungen in Großbritannien und der Türkei)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Wichtige Notenbanken der westlichen Welt haben am Mittwochabend und Donnerstag unterschiedliche geldpolitische Entscheidungen getroffen. Den Zinsgipfel dürften die Notenbanken zwar bald erreicht haben, die Tür für weitere Straffungen blieb jedoch offen. So haben die US-Notenbank Fed, die Bank of England und die Schweizerische Nationalbank SNB ihre Zinsen nicht weiter angehoben, die schwedische und die norwegische Notenbank hingegen schon. Überall wurden weitere Erhöhungen nicht ausgeschlossen.

Die Leitzinsen waren im vergangenen und in diesem Jahr stark erhöht worden, um die auch infolge des Ukraine-Kriegs deutlich gestiegene Inflation zu bekämpfen. Jetzt rücken Wachstumssorgen immer mehr in den Vordergrund, nachdem sich die Inflation abgeschwächt hat. Allerdings sorgen die gestiegenen Ölpreise für neue Inflationsgefahren.

Am Mittwochabend tastete die US-Notenbank Fed ihren Leitzins wie erwartet nicht an. Er bleibt damit in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent. Die Zinsprognosen signalisieren jedoch eine weitere Erhöhung in diesem Jahr. Zudem wurden für das nächste Jahre weniger Zinssenkungen als bisher in Aussicht gestellt.

US-Notenbankchef Jerome Powell betonte, dass die Daten das Vorgehen in den kommenden Monaten bestimmen werden. "Alles in allem ist die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinserhöhung auf der kommenden Sitzung im November gestiegen", kommentierte Bernd Weidensteiner, Ökonom bei der Commerzbank.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte in der vergangenen Woche den entgegengesetzten Kurs eingeschlagen. Sie erhöhte den Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte. Notenbankchefin Christine Lagarde signalisierte jedoch, dass dies die zunächst letzte Zinserhöhung sein könnte. Aber auch sie machte die Tür für eine weitere Erhöhung nicht zu und verwies auf die künftige Datenentwicklung.

Die britische Notenbank hat ihren Leitzins zur Überraschung von Fachleuten zunächst nicht weiter angehoben. Der Leitzins betrage damit weiterhin 5,25 Prozent, während Volkswirte mit einer Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte gerechnet hatten. Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus. Auch die Bank of England schloss weitere Anhebungen nicht aus. Sie beschloss zudem einen beschleunigten Abbau ihrer durch Wertpapierkäufe angeschwollenen Bilanz.

Die Schweizerische Nationalbank legte am Donnerstag ebenfalls eine Zinspause ein. Die über die letzten Quartale deutlich gestraffte Geldpolitik wirke dem immer noch vorhandenen Inflationsdruck entgegen, erklärte die SNB. Es sei aber aus heutiger Sicht nicht auszuschließen, dass eine weitere geldpolitische Straffung nötig sein werde, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten.

Der Leitzins liegt in der Schweiz derzeit bei lediglich 1,75 Prozent und damit deutlich niedriger als in anderen westlichen Ländern. Allerdings befindet sich die Inflation mit 1,6 Prozent aktuell innerhalb des SNB-Zielbandes von 0 bis zwei Prozent.

Die Zinsen angehoben haben unterdessen zwei Notenbanken in Skandinavien. So haben sowohl die schwedische als auch norwegische Notenbank ihre Leitzinsen um jeweils 0,25 Prozentpunkte erhöht. In beiden Ländern wurde zumindest eine weitere Erhöhung in Aussicht gestellt. Wenngleich auch hier die gestiegenen Zinsen zunehmend die Konjunktur belasten.

In Brasilien, der größten Volkswirtschaft in Südamerika, wurde bereits eine Zinswende vollzogen. Die Notenbank reduzierte im Mittwoch zum zweiten Mal in Folge den Leitzins um 0,50 Prozentpunkte auf 12,75 Prozent. Zudem wurden weitere Zinssenkungen signalisiert.

Ein grundlegend anderes Bild gibt es in der Türkei. In der Türkei steigt der Leitzins gleich um 5,0 Prozentpunkte auf 30,0 Prozent. Es war die vierte Zinserhöhung in Folge. Der Leitzins liegt aber weiter unter der Inflationsrate, die im August auf 58,9 Prozent gestiegen war. Die Türkei hatte lange auf einen Kampf gegen die hohe Inflation verzichtet. Ein Ende der Zinserhöhungen ist nicht in Sicht.

An den Finanzmärkten sorgte am Donnerstag vor allem die Entscheidungen der Schweiz und der Bank of England für Kursausschläge. So gerieten der Schweizer Franken und das britische Pfund zu anderen wichtigen Währungen unter Druck. Schließlich hatten Finanzmarktexperten überwiegend in beiden Ländern mit einer Zinserhöhung gerechnet. Bei der norwegischen Krone und der schwedischen Krone hielten sich die Ausschläge in Grenzen, da die Entscheidungen erwartet worden waren.

Bereits am Mittwoch hatten die Zinsprojektionen der Fed für Kursausschläge gesorgt. So profitierte der US-Dollar, auch die Renditen am Anleihemarkt legten zu. Die Aktienmärkte gerieten am Mittwoch in den USA und am Donnerstag auch in Europa unter Druck.

Die DZ-Bank sieht trotzdem Chancen für die Aktienmärkte. Schließlich reagiere die Fed mit ihrer strikten Geldpolitik lediglich auf die weiterhin robust laufende US-Wirtschaft. "Und genau das stützt mittelfristig die Aktienmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks", heißt es in einem Kommentar von Sven Streibel, Chef-Aktienstratege der DZ-Bank. "Der Dax sollte sogar stärker profitieren, weil die USA ein Hauptabsatzmarkt für die Exportchampions der deutschen Wirtschaft sind."/jsl/bgf/mis