Berlin (Reuters) - Die von der EU-Kommission angekündigten Strafzölle auf Elektroautos aus China stoßen bei deutschen Top-Ökonomen auf ein geteiltes Echo.

Ifo-Präsident Clemens Fuest hält den Schritt für keine gute Idee. DIW-Chef Marcel Fratzscher und Wettbewerbsökonom Jens Südekum sprechen dagegen von einem notwendigen Schritt, damit der heimischen Autobranche nicht das gleiche Schicksal droht wie der untergegangenen Solarindustrie.

"Die EU sollte darauf verzichten", sagte Ifo-Präsident Fuest am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters zu den angekündigten EU-Strafzöllen. Es drohten zwei Nachteile. Erstens sei China ein wichtiger Absatzmarkt für europäische Autos, Strafzölle der EU würden chinesische Gegenmaßnahmen auslösen. "Mit einem Handelskrieg ist niemandem gedient", sagte Fuest. Zweitens erleichterten günstige Elektroautos aus China die Elektrifizierung des Autoverkehrs und damit die Dekarbonisierung der Wirtschaft.

Fratzscher hält die EU-Maßnahmen dagegen für notwendig zur Verteidigung der Prinzipien einer fairen Marktwirtschaft und zum Schutz der europäischen Wirtschaftsstandorte. "Deutschland und Europa sollten nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, wie beispielsweise bei der Solarbranche, und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit gegen kurzfristige Erträge opfern", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Es ist unbestreitbar, dass chinesische Hersteller durch massive staatliche Subventionen unfaire Wettbewerbsvorteile genießen." Dennoch könne sich der gewählte Kompromiss als unzureichend und möglicherweise kontraproduktiv erweisen. Er berge das Risiko, dass chinesische E-Autos trotz der Zölle Marktanteile in Europa gewinnen und gleichzeitig Sanktionen gegen europäische Unternehmen verhängt werden. "Eine engere Abstimmung mit den USA wäre daher ratsam, um eine stärkere gemeinsame Antwort auf die Herausforderungen durch den chinesischen Markt zu gewährleisten", sagte Fratzscher.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Wettbewerbsökonom Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. "Die Entscheidung war letztlich zwingend, denn China subventioniert die eigene Industrie massiv und verzerrt dadurch den Wettbewerb", sagte das Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums. "Es geht bei den Strafzöllen nicht um Protektionismus. Es ist eine Reaktion Europas auf unfaire chinesische Wettbewerbspraktiken."

"EUROPA KANN NICHT EINFACH ZUSCHAUEN"

Subventionen zur Stützung der eigenen Industrie seien seitens der Welthandelsorganisation (WTO) eigentlich verboten. Das WTO-Mitglied China mache es in vielen Bereichen trotzdem und verstoße damit gegen geltendes Recht. Bei Solarpanelen seien chinesische Subventionen vielleicht noch hinnehmbar. "Hier kann sich Europa über die günstigeren Importe aus China freuen, die aus den Subventionen resultieren", sagte Südekum. "So erreicht Europa die Zubauziele bei Solarenergie schneller und günstiger. Eine heimische Solarindustrie gibt es in Europa ja kaum noch." Aber bei Elektroautos sehe das anders aus. "Hier handelt es sich um eine Leitbranche, an der Millionen Arbeitsplätze hängen", so der Experte. "Hier kann Europa nicht einfach zuschauen, wie die Branche durch chinesische Subventionen demoliert wird."

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) beziffert den Umfang der chinesischen Industriesubventionen aktuell auf mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr. "Diese Subventionen verzerren den Wettbewerb und können grundsätzlich Gegenmaßnahmen der EU rechtfertigen", sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. Die jüngste Entscheidung zeigt die Entschlossenheit der Europäischen Union, faire Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Markt zu gewährleisten.

Die EU-Kommission hatte zuvor Strafzölle auf bestimmte Elektroautos aus China angekündigt. Betroffen seien Modelle der Hersteller BYD, Geely und SAIC, teilte die Brüsseler Behörde mit. Für BYD soll demnach ein Importzoll von 17,4 Prozent, für Geely von 20 Prozent und für den Volkswagen-Partnerkonzern SAIC von 38,1 Prozent gelten. Die Kommission begründete den Schritt damit, dass E-Auto-Importe aus China der europäischen Autobranche schadeten.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)