--Nucera und drei weitere Geschäfte bilden neues Segment Decarbon Technologies

--Segmente Multi Tracks und Industrial Components werden aufgelöst

--Effizienzprogramm "Apex" soll Mittelfristziele von 2021 absichern

(NEU: Weitere Details, Hintergrund)

Von Olaf Ridder

MÜNCHEN (Dow Jones)--Der neue Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel Lopez will die "grünen" Technologien im Konzernportfolio in einem neuen Geschäftssegment bündeln und deren Wachstumspotenzial im Zuge der anstehenden Dekarbonisierung der Industrie besser erschließen. Unter dem Namen Decarbon Technologies sollen ab Oktober die erst kürzlich an die Börse gebrachte Wasserstofftochter Nucera, der für die Windkraftbranche wichtige Großwälzlagerhersteller Rothe Erde sowie die Anlagenbauer Uhde (Chemie) und Polysius (Zement) zusammengeführt werden.

Zusätzlich ist ein Effizienzprogramm geplant, mit dem die vor knapp zwei Jahren aufgestellten Mittelfristziele "rasch und nachhaltig" erreicht werden sollen. Entsprechenden Plänen des Vorstands stimmte der Konzernaufsichtsrat am Mittwochabend zu, wie das Unternehmen mit Sitz in Essen mitteilte.

Details des Effizienzprogramms mit dem Namen "Apex" stehen noch nicht fest. Damit ist unklar, ob weitere Arbeitsplätze über jene 13.000 Stellen hinaus abgebaut werden, deren Streichung schon in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht wurde.

"Thyssenkrupp verfügt in seinen Geschäften über weltweit führende Technologien, um einen großen Teil der heutigen CO2-Emissionen zu reduzieren. Das große Potenzial dieser Geschäfte wollen wir konsequent erschließen und in werthaltiges Wachstum umsetzen", sagte Konzernchef Lopez. Das Segment Decarbon Technologies solle das Powerhouse für grüne Industrien werden. Lopez selbst wird hier künftig die Verantwortung tragen.

Den Zementanlagenhersteller Polysius, der ursprünglich verkauft werden sollte, will Lopez nun als "Wegbereiter" für den klimaneutralen Umbau der Zementindustrie positionieren, unter anderem mit Hilfe von dessen patentierten Oxyfuel-Anlagen. Da alle Baustoffproduzenten unter Druck stehen, ihre Treibhausgasemissionen zu senken, sei das Marktpotenzial hoch. Polysius hat gut ein Drittel der weltweiten Zementanlagen gebaut. Der Chemieanlagenbauer Uhde wiederum soll vom Düngemittelgrundstoff Ammoniak profitieren, der als kostengünstiger flüssiger Energieträger in der Energiewende Bedeutung bekommt. Uhde sei Technologieführer bei Ammoniak-Cracking und Ammoniak.

Im Gegenzug werden zwei der bisherigen Segmente aufgelöst, Industrial Components und Multi Tracks. Im Letzteren waren die für einen Verkauf oder für Partnerschaften vorgesehenen Geschäfte gebündelt. Für Automation Engineering sowie Springs & Stabilizers werden die Verkaufsprozesse fortgesetzt, sie werden aber dem Segment Automotive Technology zugeschlagen. Das gilt auch für den Bereich Forged Technologies mit den geschmiedeten Kurbelwellen oder Vorderachsen, der bislang Teil des Segments Industrial Components war und nicht zum Verkauf steht.

Lopez gab auch den Startschuss für das von ihm bereits in Aussicht gestellte Effizienzprogramm "Apex", was so viel wie Spitze bedeutet. Mit ihm soll sichergestellt werden, dass die von seiner Vorgängerin Martina Merz auf dem Kapitalmarkttag im Dezember 2021 kommunizierten Finanzziele erreicht werden, nachdem im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine Energie deutlich teurer, Lieferketten fragiler und Inflation sowie Zinsniveau gestiegen sind. Experten sollen Verbesserungen auf sechs Handlungsfeldern entwickeln, etwa bei den Materialkosten, um die entstandenen Lücken bei der Performance zu schließen. Alle Geschäfte müssten mit ihrer Leistung zum Wettbewerb aufschließen, hatte der neue Konzernchef schon im Sommer erklärt.

Vorgängerin Merz hat dem Unternehmen insgesamt und den einzelnen Segmenten jeweils einzeln mittelfristige Margenziele gesetzt. Von denen sind derzeit alle Geschäfte aber weit entfernt. Der angepeilten bereinigten EBIT-Marge von 4 bis 6 Prozent im Konzern etwa steht für den Neunmonatszeitraum des noch bis Ende September laufenden aktuellen Geschäftsjahres gerade mal ein Ist-Wert von 2,1 Prozent gegenüber. Auch das Ziel eines signifikant positiven Free Cashflow - Grundvoraussetzung für Dividendenzahlungen - ist aktuell nicht erreichbar.

Apex soll nicht zuletzt helfen, das Potenzial der jetzt zu grünen Zukunftsgeschäften erklärten Bereiche Uhde und Polysius zu heben. Beide sollen nach dem Vorbild der Wasserstofftochter Nucera mittels verstärkter Modularisierung und Standardisierung ihrer Produkte das Geschäft ausbauen. Keine Veränderung plant Lopez mit Blick auf das Stahlgeschäft und den Marineschiffbau. Beide sollen wie auch unter Merz verselbständigt werden.

Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com

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September 14, 2023 02:17 ET (06:17 GMT)