Von Stephen Wilmot

DETROIT (Dow Jones)--General Motors hat möglicherweise doch noch die Chance, sich selbst zu erneuern. Am Donnerstag unternahm das Unternehmen seinen bisher aussichtsreichsten Anlauf, um das Elektroauto-Rennen gegen Tesla zu gewinnen. "Wir schwenken auf eine Wachstumsstrategie ein", sagte GM-Chefin Mary Barra bei einer Investorenveranstaltung. Sie will zusätzliche 7 Milliarden US-Dollar in den kommenden fünf Jahren in Elektrofahrzeuge investieren. Dabei hob sie die Kompetenzen des Konzerns hervor, die es vom traditionellen Autogeschäft auf Elektrofahrzeuge übertragen könne.

Die Tesla-Aktie hat dieses Jahr mächtig zugelegt, aber auch bei den GM-Aktionären scheint sich langsam Optimismus breitzumachen: Die Aktie ist mittlerweile auf dem höchsten Niveau seit dem Juni 2018, als bekannt wurde, dass der japanische Tech-Investor Softbank einen Anteil an GMs "Robotaxi"-Geschäft Cruise Automation übernimmt. Damals waren fahrerlose Autos das heißere Thema an der Wall Street.


   Autobauer machen sich selbst Konkurrenz 

Es ist möglich, dass die GM-Aktie wieder zurückfällt, genauso wie damals, als die Robotaxi-Hoffnungen schwanden. Das große Problem, vor denen die etablierten Autobauer stehen und das Tesla und der chinesische Konkurrent Nio nicht haben, ist, dass das Wachstum bei den Elektroautos das bestehende profitable Geschäft untergräbt.

Aber der Weg aus dieser Selbstkannibalisierungsfalle könnte sich gerade für GM bieten, was auch eine höhere Bewertung rechtfertigen würde: Der Konzern könnte seine Technologie an andere Autohersteller lizenzieren.

Das beginnt schon: Honda wird GMs Elektroautoplattform für kommende Modelle nutzen. Die beiden Unternehmen haben das dieses Jahr vereinbart. Der US-Konzern hat außerdem eine vorläufige Vereinbarung über die Lieferung seiner Brennstoffzellen- und Batterietechnologie an den umstrittenen Newcomer Nikola unterzeichnet. Diese muss aber noch bestätigt werden.


   Lizenzierung als sanfte Form der Konsolidierung 

Wenn GM diese Strategie ausweiten kann, wird sich der Konzern einen Anteil an der Supply Chain der Branche sichern. Der hohe Wert des Antriebssystems in einem Elektroauto bedeutet, dass daraus ein bedeutsames Wachstum entstehen kann, was Anleger wiederum zum Kauf der Aktie ermuntern könnte. Damit könnte die Branche auch einen Teil der Überkapazitäten abbauen und damit die Margen stärken. Die Nutzung einer gemeinsamen Plattform ist eine Art von Konsolidierung ohne die politischen und kulturellen Kontroversen, die Unternehmensübernahmen üblicherweise begleiten.

Die Chance für GM, über die an der Wall Street am meisten gesprochen wird, ist allerdings derzeit eine Abspaltung des Elektroautogeschäfts. Die Idee ist verführerisch für jene, die sich auf die relativen Bewertungen von Tesla und GM konzentrieren. Sie ignoriert allerdings die wahrscheinlichen Auswirkungen auf das traditionelle Geschäft des Autobauers und all die Bauteile und die Technologie, die traditionelle Autos und Elektroautos gemein haben. Es mag aufregend sein, eine solche Idee durchzuspielen, wäre aber in Wahrheit schwer umzusetzen.

Es gibt zudem für GM viele Hürden auf dem Weg zu einem Großlieferanten für die Branche. Die meisten Autobauer wollen derzeit lieber in ihre eigene Batterietechnologie investieren als fremde Technologien zu nutzen. GMs neue, mit der südkoreanischen LG Chem gemeinsam entwickelten Systeme haben noch nicht gezeigt, was sie können. GM musste 69.000 Exemplare des Elektroautos Chevrolet Bolt, das eine frühere Generation der Batterietechnologie von LG Chem allein genutzt hat, wegen Feuergefahr zurückrufen.

Wenn jedoch GMs massive Technologieinvestitionen zu einer glaubhaften Wachstumsstrategie führen, wird dies in der Supply Chain stattfinden. Für Autobauer liegt der Weg zu einer dauerhaft hohen Bewertung nicht in einer finanziellen, sondern in der ganz traditionellen industriellen Ingenieurskunst.

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November 20, 2020 10:28 ET (15:28 GMT)