LUXEMBURG (AFP)--Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den "Grundsatz der Energiesolidarität" in der EU betont und konkret die Solidarität Deutschlands gegenüber Polen eingefordert. Änderungen bei den Nutzungsbedingungen für die deutsche Erdgasleitung Opal hätte die EU-Kommission daher nicht genehmigen dürfen, ohne die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit Polens zu prüfen, wie der EuGH in Luxemburg entschied. Der Genehmigungsbeschluss ist daher nichtig. (Az: C-848/19 P)

Die Ostseepipeline-Anbindungsleitung (Opal) führt vom Einspeisepunkt der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Greifswald nach Tschechien. Der russische Energiekonzern Gazprom hatte eine Änderung der Nutzungsbedingungen für Opal beantragt, um Nord Stream 1 besser auslasten zu können. Die Bundesnetzagentur kam dem nach, die EU-Kommission genehmigte die Änderungen im Oktober 2016.

Polen fürchtet, dass dadurch weniger Gas durch konkurrierende Leitungen wie die durch Polen führende Jamal fließen wird. Neben wirtschaftlichen Belangen würde dies auch die Versorgungssicherheit in Polen gefährden. Die Änderungen würden daher gegen den EU-Grundsatz der Energiesolidarität verstoßen.

Das erstinstanzliche Gericht der Europäischen Union hatte 2019 der Klage Polens stattgegeben. Hiergegen legte Deutschland Rechtsmittel beim EuGH ein; die Energiesolidarität sei lediglich ein politisches Ziel, aus dem sich keine konkreten Rechte und Pflichten ableiten ließen.

Dem widersprach der EuGH nun deutlich. Die Solidarität sei ein "tragender Grundsatz des Unionsrechts". Für die Energie sei dies im EU-Grundlagenvertrag nochmals gesondert verankert. Daraus und aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ergebe sich, dass sich die Mitgliedsstaaten "gegenseitig achten und unterstützen" müssten.

"Da der Grundsatz der Solidarität allen Zielen der Energiepolitik der Union zugrunde liegt, lässt nichts die Annahme zu, dass dieser Grundsatz keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeuge", betonten die Luxemburger Richter. Vielmehr beinhalte dies "Rechte und Pflichten sowohl für die Union als auch für die Mitgliedstaaten".

Diese seien nicht auf Krisen wie Terroranschläge oder Naturkatastrophen beschränkt, sondern umfassten auch die Versorgungssicherheit der einzelnen Länder. Daraus ergebe sich, dass die EU-Kommission vor einer Änderung der gemeinsamen Regeln für die Erdgas-Pipelines auch die Belange anderer Mitgliedsstaaten prüfen und berücksichtigen muss. Weil sie dies bei Opal unterlassen hat, ist die Genehmigung nichtig, urteilte der EuGH.

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July 15, 2021 05:38 ET (09:38 GMT)