BERLIN (dpa-AFX) - Auch nach dem mühsam ausgehandelten Koalitionskompromiss bleibt es für Besitzer älterer Diesel-Autos unklar, wie sie Fahrverboten in Städten entgehen können. Streit mit der Autoindustrie gibt es vor allem um mögliche Nachrüstungen älterer Diesel-Fahrzeuge. Mehrere Hersteller wollen keine Motor-Umbauten anbieten. Bundesumweltministern Svenja Schulze will das nicht hinnehmen. Die SPD-Politikerin kündigte an: "Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen." Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) forderte die Autoindustrie am Mittwoch auf, einen Beitrag zu leisten und die Kosten für Nachrüstung und Einbau zu übernehmen. Nach Einschätzung des Kfz-Gewerbes wären Nachrüstungen schnell umsetzbar. Die Opposition im Bundestag rechnet weiter mit Diesel-Fahrverboten.

Die Koalition hatte sich nach langem Streit auf ein Paket geeinigt, um Diesel-Fahrverbote in Städten mit hoher Schadstoff-Belastung zu verhindern. Es sieht Anreize zum Kauf neuer Wagen vor. Für umstrittene Motor-Nachrüstungen bei älteren Autos fehlen noch grundlegende Zusagen der Autobauer. Von den Programmen sollen vorerst Besitzer von bis zu 1,4 Millionen Diesel-Pkw profitieren.

Hersteller wie BMW oder Opel lehnen Nachrüstungen ab. Volkswagen und Daimler hingegen wollen sich an Nachrüstungen beteiligen, sofern zertifizierte und zugelassene Systeme existieren. Volkswagen machte noch zur Bedingung, "dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen". Auch bei den ausländischen Herstellern sieht man Nachrüstungen kritisch. Der Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) sieht Haftungsfragen in rechtlicher Hinsicht nach wie vor ungeklärt.

"Ich halte das für lösbar", sagte hingegen der Vizepräsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn. Die Werkstätten seien darauf eingerichtet, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das hätten frühere Umrüstaktionen wie die Rußpartikelfilter bei Dieselfahrzeugen gezeigt. Aus Sicht des Nachrüstungsanbieters Baumot könnten Umbauten 2019 beginnen.

Laut Baumot-Chef Marcus Hausser liegt das Genehmigungsverfahren beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Baumot habe kein Problem, Gewährleistung zu übernehmen. "Es sind viele Nebelkerzen gezündet worden", sagte Hausser zu Berichten, Nachrüster wollten keine Gewährleistung übernehmen. Baumot rechne mit Umbaukosten von im Schnitt 1500 bis 2000 Euro pro Wagen: "Für viele Kunden ist es attraktiver nachzurüsten, als sich trotz Prämien einen neuen Wagen zu kaufen."

Bei den Hardware-Nachrüstungen geht es um den Einbau sogenannter SCR-Katalysatoren, um den Schadstoff-Ausstoß zu senken. Der ADAC verwies darauf, es seien noch Freigaben für die SCR-Katalysatoren nötig. Diese müssten serienreif und im Dauerbetrieb erprobt sein.

Neben Nachrüstungen soll es neue Kaufanreize für Autos der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 geben. ZDK-Vize Peckruhn verwies auch darauf, wegen der Umstellung auf neue Abgas-Prüfstandards seien derzeit überhaupt nicht genug Neuwagen am Markt.

Schulze sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag), sie erwarte von allen Herstellern, "dass sie an der Umsetzung des Gesamtkonzepts mitarbeiten, also nicht nur Umtauschprämien anbieten, sondern auch bei der Nachrüstung unterstützen". Scheuer mahnte in der "Passauer Neuen Presse": "Wir brauchen attraktive Umtauschangebote, bei denen die Dieselbesitzer zum Fahrzeugwert noch mal eine ordentliche Prämie erhalten." Alle Hersteller seien in der Verantwortung. Nachrüstungen dürften Steuerzahler und Fahrzeughalter nichts kosten.

Einige ausländische Autobauer weiten angesichts des Diesel-Konzepts der Bundesregierung ihre Angebote zum Umtausch alter Diesel-Fahrzeuge aus. Bei Renault und Ford etwa gibt es nun auch für Wagen mit der Euro-5-Abgasnorm Umtauschprämien, wenn neue Autos der jeweiligen Marken gekauft werden. Nachrüstungen werden bei Renault nicht angeboten. Der französische PSA-Konzern (Peugeot, Citroen) will sich die Entscheidung der Bundesregierung sowie den Markt ansehen und dann entscheiden. Auch der Autobauer FiatChrysler prüft zunächst, welche Maßnahmen in den Konzernmarken umgesetzt werden sollen./sl/ang/hoe/sam/men/DP/jha