Frankfurt (Reuters) - Nach einer Razzia wegen des Verdachts auf Kapitalanlagebetrug bei grünen Finanzprodukten tauscht die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS ihren Chef aus.

Asoka Wöhrmann trete nächste Woche mit Ablauf der Hauptversammlung am 9. Juni ab, teilte die DWS am Mittwoch mit. Das Ruder übernehmen soll am Tag darauf der bisherige Leiter der Unternehmensbank der Deutschen Bank, Stefan Hoops. Der angekündigte Rücktritt von Wöhrmann erfolgte nur wenige Stunden, nachdem Ermittler in Frankfurt die Firmenzentralen der DWS und der Deutschen Bank wegen des Verdachts auf sogenanntes "Greenwashing" bei der Vermarktung von grünen Finanzprodukten durchsucht hatten. Wöhrmann, der seit 2018 die Fondsgesellschaft lenkt, stand seit Monaten wegen der Anschuldigungen im Kreuzfeuer.

An der Börse kam der plötzliche Chefwechsel nicht gut an: Die im SDax notierte DWS-Aktie büßte bis zum Nachmittag mehr als fünf Prozent auf 31,60 Euro ein. Aus Sicht der Analysten der Credit Suisse ist der Abgang von Wöhrmann eine Enttäuschung, da dieser bei der DWS erfolgreich Reformen umgesetzt habe. "Wir sehen den Führungswechsel als Vorbote einer Phase der Unsicherheit der Strategie der DWS", kommentierten sie. Die Bürgerbewegung Finanzwende erklärte, die Durchsuchung und der Rücktritt würden Signalwirkung für andere Vermögensverwalter entfalten. Anbieter von als nachhaltig beworbenen Finanzprodukten würden nun genau prüfen, ob ihre eigenen Anlagekriterien halten, was sie versprechen.

Wöhrmann schrieb in einer Mitteilung an die DWS-Beschäftigten zu seinem Ausscheiden: "Die Anschuldigungen, die in den letzten Monaten gegen die DWS und mich erhoben wurden, auch persönliche Angriffe und Drohungen, wie unbegründet oder unhaltbar sie auch sein mögen, haben Spuren hinterlassen." Sie seien sowohl für die Firma als auch für ihn und vor allem für seine Angehörigen eine Belastung. "Daher habe ich mich schweren Herzens mit der Firma darauf geeinigt, als CEO zurückzutreten." Er wolle sowohl der DWS als auch ihm selbst einen Neuanfang ermöglichen. Wöhrmann hatte mehrere anonyme Drohbriefe mit zum Teil rassistischen Beleidigungen erhalten.

DWS-Aufsichtsratschef und Deutsche-Bank-Vizechef Karl von Rohr erklärte, er zolle der Entscheidung Wöhrmanns großen Respekt. "Asoka Wöhrmann hatte großen Anteil am Erfolg unserer Vermögensverwaltung in den vergangenen Jahren." Auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing würdigte die Arbeit des scheidenden Chefs. "Wir sind überzeugt, dass die DWS ihre Erfolgsgeschichte unter der Führung von Stefan Hoops fortschreiben wird", sagte er. Von Rohr begründete die Wahl von Hoops unter anderem mit dessen Fähigkeiten als ausgewiesener Kapitalmarktexperte. Die Leitung der Unternehmensbank der Deutschen Bank soll künftig David Lynne übernehmen, der zur Zeit für die Asiengeschäfte der Sparte verantwortlich ist.

RAZZIA BEI DER DWS

Schon seit Monaten steht die DWS immer wieder wegen Vorwürfen in den Schlagzeilen, sie habe "Greenwashing" betrieben, also Etikettenschwindel bei den Angaben zu Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsaspekten von Investments. Am Dienstag hatten Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft, der Finanzaufsicht BaFin und des Bundeskriminalamts deswegen die Firmenzentralen der DWS und der Deutschen Bank in Frankfurt durchsucht. Wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs werde gegen bislang unbekannte Mitarbeiter und Verantwortliche der DWS ermittelt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

ESG-Anlagen (ESG: Environment, Social, Governance) sind einer der Mega-Trends der Finanzbranche. Daher treffen die Vorwürfe die DWS und die Deutsche Bank an einer empfindlichen Stelle. Denn sie haben sich Nachhaltigkeit groß auf die Fahnen geschrieben und wollen das Geschäft in den kommenden Jahren ausbauen. Laut einer mit der Angelegenheit vertrauten Person war der Führungswechsel bei der DWS schon seit einiger Zeit in Arbeit. Die Entscheidung sei aber schließlich nach den Razzien in einer Reihe von Sitzungen am Dienstagabend getroffen worden.

Die DWS und Wöhrmann selbst hatten die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Die Fondsgesellschaft erklärte, sie habe in dieser Angelegenheit umfassend mit allen relevanten Regulierungsbehörden zusammengearbeitet und werde dies auch weiterhin tun.

EHEMALIGE NACHHALTIGKEITSCHEFIN BRACHTE STEIN INS ROLLEN

Die Greenwashing-Anschuldigungen waren erstmals im vergangenen Jahr aufgekommen. Die frühere Leiterin des Unternehmensbereichs Nachhaltigkeit, Desiree Fixler, hatte dem Unternehmen vorgeworfen, es sei zu lax mit den Kriterien für ESG-Investments umgegangen. Die DWS verkaufe diese als "grüner" oder nachhaltiger, als sie tatsächlich seien. Fixler hatte die DWS nach nur wenigen Monaten im Job verlassen. Sie hatte sich 2021 als "Whistleblower" zunächst der US-Börsenaufsicht SEC und dem FBI offenbart. Fixler sagte am Mittwoch zu Reuters, der Rücktritt von Wöhrmann sei zwar positiv, es sei aber mehr nötig als der Austausch eines Managers. "Es gibt das Greenwashing und es gibt die Vertuschung. Das ist ein großes Kulturthema bei der Deutschen Bank," merkte sie an. Die DWS und die Deutsche Bank lehnten eine Stellungnahme zu den Äußerungen ab.

Die Greenwashing-Vorwürfe zogen immer größere Kreise. Erst vor zwei Monaten wurde bekannt, dass die US-Behörden die Deutsche Bank wegen der Anschuldigungen gegen die Fondstochter weiter auf dem Schirm haben. So monierte das US-Justizministerium, dass es vom Geldhaus über entsprechende Vorwürfe zu spät informiert worden sei, wie aus dem Geschäftsbericht der Deutschen Bank hervorgeht. Mit dem US-Justizministerium wurde vereinbart, dass die bestehende Überwachung des Instituts durch einen unabhängigen Kontrolleur bis Februar 2023 ausgeweitet werden soll.