BRÜSSEL (AFP)--Für die Ukraine ist der Weg für Beitrittsverhandlungen mit der EU frei, die Auszahlung weiterer Milliardenhilfen der 27 Mitgliedsländer ist jedoch vorerst am Widerstand Ungarns gescheitert. Die EU-Staats- und Regierungschefs gaben am Donnerstag bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel grünes Licht für Verhandlungen mit der Ukraine sowie Moldau. Ungarns Regierungschef Viktor Orban kritisierte dies zwar scharf, verzichtete aber auf ein Veto - nicht jedoch bei den Hilfsgeldern.

Sowohl für die Beitrittsverhandlungen als auch für geplante weitere Hilfszahlungen in Höhe von 50 Milliarden Euro brauchte es eine Konsensentscheidung. Im ersten Fall wurde Ungarns Blockade nach Angaben aus Diplomatenkreisen "pragmatisch" gelöst: Orban habe den Saal verlassen, die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen sei dann mit der erforderlichen Einstimmigkeit vereinbart worden.

Nach Angaben aus übereinstimmenden Quellen war das Vorgehen mit dem Ungar abgesprochen - und ging auf einen Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zurück. Orban distanzierte sich anschließend von der Gipfeleinigung. In einem auf Facebook veröffentlichten Video sprach er von einer "völlig sinnlosen, irrationalen und falschen Entscheidung". Er habe sich enthalten.

Beim Geld blieb Orban dann hart. "Veto gegen die zusätzlichen Mittel für die Ukraine", erklärte er. Die Gespräche sollen auch am zweiten Gipfeltag nicht fortgesetzt werden. "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es in der Tat das Beste ist, die Sache erst einmal ruhen zu lassen", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Nach Angaben von EU-Ratspräsident Charles Michel werden die 27 EU-Staats- und Regierungschef sich Anfang kommenden Jahres deshalb erneut treffen.

Die EU-Kommission hatte eine Aufstockung des EU-Haushalts vorgeschlagen, um die Ukraine vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu bewahren. Gefeilscht wurde zudem um eine weitere Aufstockung des EU-Haushaltsrahmens bis 2027. Im Gespräch waren zuletzt gut 20 Milliarden Euro, unter anderem für den Außengrenzschutz und für Migrationsabkommen mit Drittländern. Eine Einigung hier scheiterte laut Diplomaten ebenfalls an Ungarn.

Vermutet wurde ein Zusammenhang mit EU-Mitteln für Ungarn, die wegen Rechtsstaatsverfehlungen zurückgehalten werden. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch zehn Milliarden Euro dieser Mittel freigegeben, weitere 21 Milliarden Euro bleiben eingefroren. Orban betonte, es bestehe kein Zusammenhang mit den Ukraine-Themen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach wegen der zugesagten Beitrittsverhandlungen dennoch von einem "Sieg für die Ukraine" und "für ganz Europa". Bundeskanzler Scholz nannte die Entscheidung "ein starkes Zeichen der Unterstützung und eine Perspektive für die Ukraine". Ratspräsident Michel begrüßte das grüne Licht für die Ukraine und Moldau als "historischen Moment". Dies zeige "die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union, die Stärke der Europäischen Union".

Näher an die EU rückt durch die Gipfeleinigung auch Georgien, das den Status eines Beitrittskandidaten erhält. Die EU-Staaten wollen zudem Beitrittsgespräche mit Bosnien-Herzegowina aufnehmen, sobald das Land die Bedingungen dafür erfüllt. Die EU-Kommission soll dazu im März einen Bericht vorlegen. Michel sprach von einem "klaren Signal der Hoffnung" für die Bewohner dieser Länder und für Europa.

Moldaus Präsidentin Maia Sandu begrüßte das Votum. "Wir spüren heute die herzliche Umarmung Europas", erklärte sie. Vor ihrem Land liege aber noch harte Arbeit. Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili sprach von einem "monumentalen Meilenstein" für ihr Land. Die Ex-Sowjetrepublik Georgien hatte den EU-Beitritt wie die Ukraine und Moldau im Februar 2022 beantragt, kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Den Weg frei machten die 27 Staats- und Regierungschefs zudem für ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland. Darin enthalten sind unter anderem Importbeschränkungen für Diamanten.

Selenskyj hatte die EU eindringlich vor einem Scheitern des Gipfels gewarnt. Russlands Präsident Wladimir Putin würde dies mit einem "zufriedenen Lächeln" quittieren, sagte er in einer Videoschaltung mit den Europäern.

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December 15, 2023 00:10 ET (05:10 GMT)