Berlin/Hamburg (Reuters) - Trotz massiver Bedenken hat das Bundeskabinett den Weg für einen begrenzten Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Container-Terminal im Hamburger Hafen frei gemacht.

Statt der geplanten Beteiligung von 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Containerterminals Tollerort des Hamburger Hafenlogistik-Konzerns HHLA genehmigte die Bundesregierung nur einen Anteil der Chinesen von 24,9 Prozent, teilte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch mit. "Zudem werden Sonderrechte untersagt", betonte das Ministerium. Damit werde eine strategische Beteiligung verhindert und der Anteilserwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert. Doch die Kritik hielt auch innerhalb der Ampel-Koalition nach der Entscheidung an. "Die Haltung ist im besten Fall als naiv zu bezeichnen", sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), der Funke-Mediengruppe. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungskreisen hat das Auswärtige Amt im Kabinett in einer Protokollnotiz seine Ablehnung des Cosco-Einstiegs hinterlegt.

Der Entscheidung war innerhalb der Bundesregierung ein Konflikt zwischen Kanzleramt und etlichen Ministerien vorausgegangen, die sich für ein komplettes Verbot ausgesprochen hatten. Die Regierung löste den Konflikt in zwei Schritten. Zum einen wurde die Betreibergesellschaft für den Terminal Tollerort, den kleinsten von vier Container-Terminals im Hamburger Hafen, nicht als kritische Infrastruktur eingestuft. Damit stieg die Schwelle für eine Genehmigungspflicht laut Außenwirtschaftsgesetz von zehn aus 25 Prozent. Da nun nur 24,9 Prozent erlaubt wurden, ist zumindest dieser Einstieg dann nicht mehr genehmigungspflichtig. Die Ministerien konnten also keinen Einspruch mehr einlegen, etliche sollen sich aber der Protokollnotiz des Auswärtigen Amtes angeschlossen haben.

Sollte Cosco seinen Anteil später aufstocken wollen, würde sofort wieder ein Genehmigungsverfahren ausgelöst. Die Bundesregierung konnte dennoch Vorgaben machen, weil der Genehmigungsantrag der Unternehmen von einem Anteil von 35 Prozent ausging.

Das Wirtschaftministerium betonte, dass der Reederei nun untersagt werde, über Sonderrechte zu einem "atypischem" Kontrollerwerb über die Betreibergesellschaft zu kommen. Sie dürfe sich keine vertraglichen Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen lassen oder Mitglieder der Geschäftsführung benennen.

HHLA bemüht sich nun nach Angaben eines Insiders um eine Einigung mit Cosco für den abgespeckten Einstieg. Da Cosco einen Antrag auf Freigabe der Investition gestellt habe, müsste aber die Bundesregierung der Reederei diese Teilgenehmigung mitteilen. In Unternehmenskreisen wurde darauf verwiesen, dass zwar Grund und Boden im Hafen kritische Infrastruktur seien, nicht aber die Betreibergesellschaft. In dem Terminal Tollerort verwende man auch nicht nur Containerbrücken des chinesischen Herstellers ZBMC, sondern auch von Liebherr. Die Elektronik und die Technik, die in den ZBMC-Brücken verbaut sei, stamme zudem von ABB und Siemens. Cosco ist auch an anderen europäischen und außereuropäischen Häfen beteiligt.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, sagte zu dem Vorgang nur, dass die chinesische Regierung darauf hoffe, dass "die relevanten Parteien die pragmatische Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland rational sehen und grundlose Spekulationen einstellen".

Kritik kam auch aus der Union: Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner, schickte einen Fragenkatalog mit 31 Fragen zu dem Cosco-Einstieg an das Wirtschaftsministerium. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen sprach auf Twitter von einem "schwerwiegenden Fehler" der Ampel-Regierung.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagte dem Sender ntv, dass man im China-Geschäft vorsichtiger vorgehen müsse. "Man muss jetzt aus den Dingen mit Russland lernen", sagte Sewing. Dennoch sei die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China sehr wichtig: "China ist und bleibt ein enorm wichtiger Markt für die deutsche Wirtschaft." Am Vorabend hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor einseitigen Abhängigkeiten von China gewarnt.

BASF-Chef Martin Brudermüller warnte vor einer überhitzten Debatte. "Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass wir vom China-Bashing wegkommen und mal etwas selbstkritisch auf uns gucken."

(Mitarbeit: Holger Hansen; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Andreas Rinke und Jan Schwartz