Endspurt beim Ölpreis / Kommentar zur Marktentwicklung von Dieter
Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Der Ölpreis zeigt zum Jahresende hin eine bemerkenswerte 
Entwicklung. Die wichtigste Nordseesorte Brent Crude ist inzwischen über die 
Marke von 68 Dollar je Barrel geklettert. Dies ist der höchste Stand seit drei 
Monaten. Die Notierung nimmt Kurs auf 70 Dollar. Sie würde damit das 
Zwischenhoch von Mitte September von rund 69 Dollar hinter sich lassen und sich 
den Niveaus von April und Mai von bis zu 75 Dollar annähern, die damals in 
Zusammenhang standen mit extrem hohen politischen Spannungen am Persischen Golf.

Im Gegensatz zu damals sind es aktuell aber mehrere Faktoren, die den Ölpreis 
antreiben. An erster Stelle zu nennen sind überraschend positiv ausgefallene 
Konjunkturdaten. So sind in China die Gewinne in der verarbeitenden Industrie im
November um 5,4% gestiegen. Dies ist das stärkste Ergebniswachstum seit acht 
Monaten. Dies wird als ein positives Zeichen gewertet, auch wenn längst noch 
nicht klar ist, ob man bereits von einer konjunkturellen Wende zum Besseren im 
Reich der Mitte sprechen kann.

Zudem deutet ein Rückgang der amerikanischen Lagerbestände an Rohöl in der 
vergangenen Woche darauf hin, dass die Nachfrage nach dem Energieträger 
einigermaßen robust ist. Für die USA gibt es auch noch andere Hinweise auf eine 
konjunkturelle Lage, die besser sein könnte als gedacht: So zeigen erste 
Umfragen, dass die Weihnachtseinkäufe wohl Rekordniveau erreicht haben könnten.

Außerdem ist die gegenwärtige deutliche Entspannung im amerikanisch-chinesischer
Handelsstreit ein wesentlicher Faktor, der die Rohstoffpreise, aber auch die 
Aktienkurse antreibt. Nach 17 Monaten der Unsicherheit und der Konfrontation 
soll nun bald die "Phase 1" einer Übereinkunft unterzeichnet werden.

Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass es damit noch lange nicht eine 
endgültige Beilegung des von der Trump-Administration vom Zaun gebrochenen 
Handelsstreits gibt. Wahrscheinlich ist, dass die Entspannung nur bis nach den 
amerikanischen Präsidentschaftswahlen anhalten wird. Dann könnte es eine neue 
Verschärfung der Konfrontation geben, da die USA letztlich darauf angewiesen 
sind, zur Verteidigung ihrer weltweit vorherrschenden Position China von ihren 
Einflussgebieten abzukoppeln. Eine endgültige Einigung, die China Raum lässt
für
den weiteren Aufstieg, liegt nicht im Interesse der USA, so dass die 
US-Regierung wieder dazu übergehen könnte, China nach allen Kräften zu 
bekämpfen.

Genauso ist es auch keineswegs sicher, dass die zuletzt wieder etwas 
freundlicheren Konjunkturdaten aus vielen Regionen der Welt wirklich eine 
nachhaltige Verbesserung darstellen und nicht nur eine kurzzeitige Erholung. Die
Gefahr einer weltweiten Rezession ist also noch keineswegs gebannt, zumal die 
verarbeitende Industrie nach wie vor Schwäche zeigt. Dies alles könnte, so 
glauben Analysten, den Ölpreis mittelfristig deckeln.

Hinzu kommt, dass viele Analysten davon überzeugt sind, dass auf dem globalen 
Ölmarkt das Angebot die Nachfrage im ersten Halbjahr 2020 deutlich übersteigen 
könnte. Dabei ist die Bereitschaft der meisten Mitglieder der Organisation Erdöl
exportierender Länder (Opec) und ihrer Verbündeten wie Russland zu weiteren 
Kürzungen oder auch nur der Verlängerung der bestehenden Quoten nicht besonders 
hoch ausgeprägt. So hat der russische Energieminister Alexander Nowak jetzt 
wieder angemerkt, dass die gegenwärtigen Kürzungen der erweiterten "Opec plus" 
nicht endlos weitergehen könnten. Es sei erforderlich, eine Entscheidung über 
den graduellen Ausstieg aus den Kürzungen zu treffen, forderte er. Somit sieht 
es trotz des jüngsten Preisanstiegs eher nach einer Seitwärtsbewegung des 
Ölpreises aus.

Es gibt einen Faktor, der für einen sprunghaften Anstieg des Ölpreises sorgen 
könnte. So ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die geopolitischen Spannungen 
in der Region rund um den Persischen Golf wieder stark zunehmen. Dafür gibt es 
auch bereits wieder erste Anzeichen. So hat es der für den Nahen Osten 
zuständige stellvertretende US-Außenminister David Schenker als Ziel der 
Trump-Administration für 2020 postuliert, den Einfluss Russlands und Chinas in 
der Region zurückzudrängen. Gleichzeitig vertiefen die beiden genannten Mächte

ihre Kooperation mit dem Iran als dem Hauptgegner der USA im Nahen Osten. Auch 
in dieser Hinsicht dürften die Gefahr einer Verschärfung der Lage und die 
Aussicht auf einen steigenden Ölpreis nach den Präsidentschaftswahlen wieder 
zunehmen.

(Börsen-Zeitung, 28.12.2019)

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