Börsen-Zeitung: Baumanns Weg, Kommentar zu Bayer von Annette Becker
   Frankfurt (ots) - "Lieber Werner Baumann, do it your way!" Mit 
diesen Worten hatte Marijn Dekkers, der zum 1. Mai ausgeschiedene 
Bayer-Chef, die handschriftliche Notiz bei der traditionellen 
Übergabe des Staffelstabs an seinen Nachfolger versehen. Wie sich 
zeigt, ist Baumann durchaus gewillt, einen neuen Weg einzuschlagen. 
Mit der 62 Mrd. Dollar schweren Offerte für Monsanto, den weltgrößten
Saatguthersteller, versucht sich Bayer nicht nur an der größten 
Akquisition der Firmengeschichte, sondern auch an der größten 
Firmenübernahme, die ein deutsches Unternehmen je anpackte. Dass 
Bayer das Angebot im Zweifel auch gegen den Willen des 
Monsanto-Managements lancieren würde, scheint ausgemachte Sache - 
koste es, was es wolle.

   Dafür spricht nicht zuletzt der Übernahmepreis, bieten die 
Leverkusener doch eine Prämie von einem Drittel auf den gewichteten 
Durchschnittskurs der vergangenen sechs Monate. Bezahlt wird das 
15,8-Fache des operativen Ergebnisses vor Abschreibungen (Ebitda). 
Der Kapitalmarkt gesteht Monsanto aktuell etwa das 12-fache des 
Ebitda zu. Damit bewegt sich Bayer zwar auf branchenüblichem Niveau -
Chemchina lässt bei Syngenta das 16,6-Fache springen -, doch treiben 
die Relationen zur eigenen Bilanz den Investoren nicht ganz zu 
Unrecht Sorgenfalten auf die Stirn.

   Bayer ist nach dem jüngsten Kurssturz - nicht zuletzt durch eine 
mehr als verbesserungswürdige Kapitalmarktkommunikation verursacht - 
nur noch knapp 70 Mrd. Euro schwer. Da die Übernahme vollständig in 
bar bezahlt werden soll, ist eine kombinierte 
Eigenkapital-/Fremdkapitalfinanzierung geplant im Verhältnis 25 zu 
75. Faktisch wird Bayer das Grundkapital um knapp 20% erhöhen und 
darüber hinaus mehr als 40 Mrd. Euro an neuen Schulden aufnehmen - 
mehr als die Hälfte der aktuellen Marktkapitalisierung.

   Der Verschuldungshebel, der derzeit grob das 1,5-Fache des Ebitda 
ausmacht, würde somit auf über 4 hochgezogen. Damit ist das 
Investment-Grade-Rating zwar nicht in Gefahr - Standard & Poor's hat 
in einer ersten Einschätzung schon durchblicken lassen, dass sich 
eine Herabstufung in Folge der Riesenakquisition auf maximal zwei 
Stufen, also auf "BBB", beschränken würde. Klar ist aber auch, dass 
sich Bayer auf die nächsten Jahre jedweden strategischen 
Handlungsspielraums beraubte.

   Asset-Verkäufe zur Finanzierung sind - so zumindest die offizielle
Lesart - nicht notwendig. Eine andere Aussage hätte allerdings auch 
verwundert, hätte Bayer damit doch den Wert des Covestro-Pakets - 
immerhin ist Bayer noch mit 64% an der Kunststoffsparte beteiligt - 
noch weiter verringert. Dass die Börse dem Braten dennoch nicht 
traut, lässt sich an der jüngsten Kursentwicklung des MDax-Werts 
ablesen. Gestern verloren Covestro in der Spitze mehr als 4%, nachdem
der Wert in der vorigen Woche Federn lassen musste.

   Strategisch, das sei an dieser Stelle klar gesagt, ist die 
Transaktion natürlich wertstiftend. Nicht umsonst hatte sich Monsanto
im Vorjahr - wenn auch vergeblich - um die Übernahme von Syngenta, 
dem weltgrößten Pflanzenschutzkonzern, bemüht. Es geht darum, den 
Landwirten ein Rundum-sorglos-Paket anzubieten. Neues Saatgut, das 
Kerngeschäft von Monsanto, wird im Idealfall mit den genau darauf 
abgestimmten Herbiziden oder Insektiziden, der Stärke von Bayer 
Cropscience, kombiniert und dann als Gesamtpaket angeboten.

   Bislang kooperierten die großen Agrochemiekonzerne über 
Lizenzvereinbarungen miteinander. Wer die besten 
Pflanzeneigenschaften (traits) entwickelte, hatte die Nase beim 
Kunden vorn. Im Zuge der jüngsten Konzentrationsbewegung - Dow 
Chemical und DuPont stehen vor der Fusion, Syngenta wird von Chinesen
geschluckt - droht diese industrieweite Zusammenarbeit nun jedoch zum
Auslaufmodell zu mutieren.

   Wie in der Pharmaindustrie kommt es auch in der Agrochemie 
entscheidend auf die Forschungskapazitäten und -fähigkeiten an. 
Gerade in dieser Hinsicht macht Größe den Unterschied. Mit einem 
kombinierten Budget für Forschung & Entwicklung von 2,5 Mrd. Euro 
läge der neue Agrochemieriese von Bayer künftig unangefochten an der 
Spitze. Die Nummer 2, Dow und DuPont, brachten 2015 zusammen gerade 
einmal 1,6 Mrd. Euro auf die Waage gefolgt von Syngenta/Chemchina mit
1,3 Mrd. Euro.

   Obendrein steht angesichts einer beständig wachsenden 
Weltbevölkerung außer Frage, dass die Agroindustrie einen Megatrend 
bedient. Selbst wenn es, wie aktuell, aufgrund rückläufiger 
Getreidepreise und rezessiver Tendenzen in einigen großen 
Schwellenmärkten zu einer zyklischen Schwäche kommt, sind die 
langfristigen Wachstumsaussichten überzeugend.

   Auf einem anderen Blatt stehen die Risiken und Nebenwirkungen, die
sich Bayer mit der Übernahme einhandelt. Zu nennen wäre zum einen das
Integrationsrisiko, das die errechneten Synergien von 1,5 Mrd. Euro 
nach drei Jahren schnell zu Makulatur werden lassen kann. Zum anderen
handelt es sich bei Monsanto um einen der am schlechtesten 
beleumundeten Konzerne weltweit. Man muss nicht Deutscher sein, um 
hinter gentechnisch verändertem Saatgut Risiken auszumachen. Bayer 
selbst kann in diesem Thema auf einschlägige Erfahrungen 
zurückblicken. Zudem lässt die brandaktuelle Diskussion um das von 
Monsanto entwickelte Herbizid Glyphosat aufhorchen. Das Bekenntnis in
der Auseinandersetzung mit kritischen Stakeholder-Gruppen Erfahrung 
mitzubringen, vermag das Reputationsrisiko nicht aufzuheben.

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