Peking (Reuters) - Der frühere chinesische Ministerpräsident Li Keqiang ist überraschend im Alter von 68 Jahren gestorben.

Er sei in der Nacht zu Freitag in Shanghai den Folgen eines Herzinfarkts erlegen, berichtete der staatliche Sender CCTV. Li war erst im März nach einem Jahrzehnt als Ministerpräsident und Kabinettschef unter Präsident Xi Jinping abgetreten. Der an der Universität in Peking ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler galt einst als Favorit für die Führung der Kommunistischen Partei, wurde aber in den vergangenen Jahren von Xi zunehmend ins Abseits gedrängt.

Noch im August sagte Li, die Reformen und die Öffnung würden nicht enden. Mit seinen progressiven Ansätzen machte er sich nicht nur Freunde. Videos seiner Rede kursierten zunächst in den Sozialen Medien, wurden schließlich aber in China zensiert. Zwischen den Zeilen lasen Beobachter eine verschlüsselte Kritik an seinem Chef Xi heraus. "Während seiner zehnjährigen Amtszeit hat China einen Rückschritt in vielen Bereichen der Politik erlebt", resümierte Yun Sun, Direktor des Stimson Center in Washington. Letztlich musste er sich Xis Drang zu mehr staatlicher Kontrolle beugen.

Mit dem Tod von Li geht eine Ära zu Ende. Menschen seines Schlags gebe es in der chinesischen Politik nicht mehr, sagte Alfred Wu von der Lee Kuan Yew School of Public Policy in Singapur. "Li wird wahrscheinlich als Befürworter eines freieren Marktes in Erinnerung bleiben", sagte Wen-Ti Sung, Politikwissenschaftler an der Australian National University. Man werde sich an ihn vor allem für das erinnern, was hätte sein können.

In den chinesischen sozialen Medien herrschte große Trauer und Betroffenheit. Einige Regierungswebsites waren als Zeichen der Anteilnahme in schwarz-weiß geschaltet. Die Mikroblogging-Plattform Weibo änderte ihre "Gefällt mir"-Schaltfläche in ein Trauersymbol in Form einer Chrysantheme - die Blume steht in China unter anderem für Erhabenheit und ein langes Leben.

(Bericht von Laurie Chen und Yew Lun Tian, geschrieben von Philipp Krach und Alexandra Falk, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)