Berlin (Reuters) - Im Streit über den Bundeshaushalt für 2025 kann die Ampel-Koalition nicht auf eine Entlastung durch höhere Einnahmen hoffen.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung legte am Donnerstag seine Prognose für die Jahre 2024 bis 2028 vor.

Demnach müssen Bund, Länder und Gemeinden in diesem Fünf-Jahres-Zeitraum mit insgesamt 80,7 Milliarden Euro weniger rechnen als noch im Herbst vorigen Jahres erwartet. Allein auf den Bund entfallen Mindereinnahmen von 41,6 Milliarden Euro. Dafür gebe es nicht nur konjunkturelle, sondern auch strukturelle Gründe, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner. "Wir müssen uns von unrealistischen Wünschen verabschieden und die Konsolidierung des Haushalts vorantreiben", erklärte der FDP-Chef.

Die Steuerschätzung erschwert die Haushaltsberatungen für 2025 zusätzlich, da mit geringeren Einnahmen zu rechnen ist. Gegenüber der Herbst-Prognose verbucht der Bund für 2025 ein Minus von 11,0 Milliarden Euro. "Neue finanzielle Spielräume gibt es absehbar nicht", so Lindner. Die Steuerschätzung sei ein Realitätscheck. Der FDP-Politiker nahm vor allem Sozialausgaben ins Visier etwa beim Bürgergeld. Die Inanspruchnahme des Sozialstaates, die Dauer des Verbleibs im Bürgergeld und gesetzliche Änderungen hätten dazu geführt, "dass die Sozialausgaben schneller steigen als die wirtschaftliche Entwicklung".

Auch im Haushalt 2024 drohen Mindereinnahmen von 5,6 Milliarden Euro. Dafür sei aber Vorsorge getroffen, sagte Lindner. Die reduzierte Einnahmeerwartung allein sei noch kein Grund zur Sorge, aber die Ausgabenentwicklung berge Risiken. Bei der Förderung des Ökostroms gebe es Medienberichte, wonach neun Milliarden Euro mehr ausgegeben werden könnten als geplant. "Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht sicher, ob es Handlungsbedarf gibt."

AMPEL-HAUSÄLTER SEHEN HANDLUNGSDRUCK

SPD-Haushaltsexperte Dennis Rohde nahm Lindner mit Blick auf die neue Steuerschätzung in die Pflicht. "Wir erwarten jetzt vom Bundesfinanzminister bis zum Sommer einen Haushaltsentwurf, der die Wirtschaft weiter ankurbelt, die Zeitenwende umsetzt und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land garantiert." Sein FDP-Kollege Otto Fricke erklärte: "Wir können den Haushalt nicht mit immer mehr konsumtiven Ausgaben überlasten und Handlungsspielräume weiter einschränken." Die Wirtschaftswende erfordere auch eine Haushaltswende. Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler warnte vor einem "Sparhaushalt auf dem Rücken von langjährigen Beschäftigten oder armen Menschen, zu Lasten des Klimaschutzes, der demokratischen Infrastruktur oder unserer internationalen Verantwortung".

Die Opposition sprach von einem Warnsignal. "Wir bekommen gerade die Quittung für eine beispiellos schlechte Politik", erklärte der Chefhaushälter der Unions-Fraktion, Christian Haase (CDU). "Deutschland darf nicht weiter das Versuchslabor für eine falsche und grün administrierte Wirtschaftspolitik sein."

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rief die Regierung auf, den Steuerausfällen mit einem Wachstumsprogramm entgegenzuwirken. "Sie muss den Hochlauf der öffentlichen Investitionen tragfähig finanzieren und Anreize für notwendige Investitionen in Transformationsprozesse setzen", sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner.

(Bericht von Holger Hansen, Klaus Lauer, Christian Krämer, redigiert von Kirsti KnolleBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)