Von Heather Somerville

NEW YORK (Dow Jones)--Große Geldverwaltungsfirmen haben im vergangenen Quartal ihre Dominanz im Silicon Valley ausgebaut und verdrängten die traditionellen Risikokapitalgeber in einem einstigen Nischengeschäft. Insgesamt ist die Start-up-Finanzierung 2021 auf bestem Wege, den Wert des Vorjahres fast zu verdoppeln - das wäre ein neuer Rekord.

Laut dem Marktforschungsunternehmen Pitchbook Data waren Hedgefonds, Investmentfonds, Pensionskassen, Staatsfonds und andere so genannte nicht-traditionelle Risikokapitalgeber im zweiten Quartal aktiver als in jedem anderen Zeitraum zuvor. Diese Firmen beteiligten sich an 42 Prozent der Finanzierungsgeschäfte für Start-ups, und diese Geschäfte machten mehr als drei Viertel des investierten Kapitals aus.

Die Investitionen in US-Start-ups erreichten in der ersten Hälfte 2021 laut Pitchbook-Daten 150 Milliarden US-Dollar und übertrafen damit das Gesamtjahresvolumen aller Jahre vor 2020. So verfügen die großen Kapitalgesellschaften über riesige Kapitalpools, handeln schnell und verlangen seltener einen Sitz im Board oder eine Beteiligung an Unternehmensentscheidungen, was sie für Gründer oft attraktiv macht, wie Interviews mit Investoren und Führungskräften von Start-ups zeigen. Das Ergebnis ist ein schwindelerregendes Tempo beim Abschluss von Geschäften.


   Deals wie beim Speed-Dating 

"Es ist wie Speed-Dating, nur extremer", hat der langjährige Silicon-Valley-Tech-Experte Peter Fishman beobachtet, der vergangenes Jahr das Datenautomatisierungs-Startup Mozart Data mitbegründet hat. Große Vermögensverwalter haben seit langem einen Teil ihrer Portfolios für Investitionen in traditionelle Risikokapitalfirmen bereitgestellt.

Viele begannen jedoch vor etwa einem Jahrzehnt in einer Wirtschaft mit Zinsen nahe null direkt in Start-ups zu investieren, da sie sich von Technologieunternehmen, die länger in Privatbesitz blieben, bessere Renditen versprachen. Im Laufe der Jahre wurden sie von den traditionellen Risikokapitalgebern oft als Touristeninvestoren und "dummes Geld" bezeichnet, denen die besonderen Fähigkeiten für Investitionen in Start-ups fehlten.

Aber sie blieben am Ball und verdoppelten ihr Engagement. Heute sind die Hälfte der zehn größten Investoren in Start-ups, gemessen am Wert in Dollar, nicht-traditionelle Risikokapitalgeber, darunter Fidelity Investments und Tiger Global. Laut Pitchbook hat sich die Zahl der Finanzierungsrunden für Start-ups, an denen nicht-traditionelle Wagniskapital-Investoren und keine Risikokapitalfirmen beteiligt sind, in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.


   Wagniskapitalbranche verzichtet teilweise auf vertiefte Prüfungen 

Der britische Vermögensverwalter Baillie Gifford, der mehr als 450 Milliarden Dollar verwaltet, investierte 2012 erstmals in ein Start-up und startete 2019 ein spezielles Portfolio. Baillie wollte "wirklich damit beginnen, namhafte Beträge in die späten Phasen der Privatmärkte zu investieren", so Portfoliomanager Robert Natzler.

Einige traditionelle Wagniskapital-Firmen geben derweil alte Praktiken auf, um Schritt zu halten. Um schnell voranzukommen, verzichten einige auf umfassende Prüfungen sowie Kundenkontrollen und verlassen sich auf das Wort eines Start-ups zu Gewinn und Verlust.

"Es gibt keine Wagniskapital-Fonds mit Preisdisziplin mehr. Wir haben alle nachgegeben", twitterte der Risikokapitalgeber Keith Rabois vergangenen Monat. Von 2016 bis 2019 gab es laut dem Datenanbieter CB Insights im Durchschnitt 35 Deals pro Monat mit Finanzierungsrunden, die 100 Millionen Dollar oder mehr erreichten. In diesem Jahr sind es 126 Deals pro Monat.


   Bewertungen schossen in die Höhe 

Das viele Geld hat die Bewertungen in die Höhe schnellen lassen, was die Gewinne auf dem Papier für alle Arten von Start-up-Investoren und deren Gründer erhöht. Vor fünf Jahren erreichten laut CB Insights im Zeitraum von April bis Juni 14 Start-ups eine Bewertung von 1 Milliarde Dollar oder mehr. In diesem Jahr waren es 136 Unternehmen innerhalb dieser Monate.

Das in Boston ansässige Unternehmen Motif Food Works stellt Fleisch- und Milchersatzprodukte auf pflanzlicher Basis her und wird hauptsächlich von nicht-traditionellen Investoren unterstützt. Die Finanzierungsrunde im Juni über 226 Millionen Dollar wurde von dem Ontario Teachers' Pension Plan und von Blackrock angeführt, wie Geschäftsführer Jonathan McIntyre sagt. Der berichtet, dass traditionelle Risikokapitalgeber vor dem Betrag und der Bewertung für sein zwei Jahre altes Start-up zurückgeschreckt hätten. Der Rentenfonds aus Ontario und Blackrock erhalten jeweils einen Beobachtersitz im Board, aber kein volles Stimmrecht.


   Start-ups lassen sich bitten - leere Hände bei Treffen 

Der Gewinn aus dem Boom der Börsengänge hat die Methodik der Investoren gestärkt. Laut Pitchbook stammten etwa 95 Prozent der Erlöse aus Börsengängen und Verkäufen von Start-ups an größere Konzerne im vergangenen Jahr von Unternehmen, die von nicht-traditionellen Investoren unterstützt wurden.

Die Verlagerung auf schnelle Investitionen hat den Gründern mehr Spielraum gegeben. Einige haben ihre Pitch Decks - die einst obligatorische Unternehmenspräsentation für potenzielle Investoren - abgeschafft und erscheinen stattdessen mit leeren Händen zu Investorentreffen. Andere bitten die Investoren im Voraus um Gratisgeschenke, wie zum Beispiel die Namen und Telefonnummern potenzieller Kunden, bevor sie sich an einer Finanzierungsrunde beteiligen. Immer mehr Gründer verlangen und erhalten so genannte Auffrischungen ihres Eigenkapitals, bei denen ihr Anteil nach einer Finanzierungsrunde um ein paar Prozentpunkte steigt, anstatt zu sinken.

Kontakt zur Autorin: unternehmen.de@dowjones.com

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August 02, 2021 05:34 ET (09:34 GMT)