Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat vor einer Abwanderung von Unternehmen und Wohlstandsverlust in Deutschland gewarnt, sollten Unternehmen nicht zügig bei den hohen Energiekosten entlastet werden. BDI-Präsident Siegfried Russwurm drängte außerdem zu mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien und Stromnetze sowie bei den Genehmigungsverfahren. Er warf den Behörden "Kleinstaaterei" vor, da etwa für die Durchfahrten von Schwerlasttransporten von Windturbinenkomponenten in jedem Bundesland Genehmigungen einzuholen seien. Politik und Behörden müssten in die Gänge kommen.

"Wir verlieren Unternehmen, wir verlieren Wertschöpfung und wir verlieren damit die Grundlage unseres Wohlstands in Deutschland jeden Tag ein bisschen mehr und nicht erst irgendwann in fünf Jahren. Sondern das passiert heute", warnte Russwurm auf dem Klimakongress des BDI in Berlin.

Beim Ausbau der Erneuerbaren gebe es für Unternehmen noch viele lose Enden bezüglich des Zeitpunktes und Preises des grünen Stroms. Ohne Planungssicherheit zu investieren sei ein Vabanquespiel, das man auch als Unternehmen nicht wollen könne.

"Deswegen besteht, wenn wir so weitermachen, eben eine doppelte Gefahr: Dass wir die Ziele nicht erreichen und dass auf dem Weg dorthin Unternehmerinnen und Unternehmer aufgeben", warnte Russwurm.


   Prioritäten setzen 

Deutschland müsse sich angesichts der anstehenden Transformation zur Klimaneutralität und den damit verbundenen Kosten ehrlich machen und Prioritäten setzen. So sei etwa eine unterirdische Verlegung der Stromautobahnen sechsmal so teuer als eine überirdische Verlegung und die Kosten lägen in einem zweistelligen Milliardenbereich, der von den Verbrauchern und Steuerzahlern gezahlt werden müsse.

Bedenken zur Einführung eines staatlich subventionierten Strompreises, wie etwa von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) oder Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geäußert, könne er nachvollziehen, aber auch teilweise entkräften.

"Es geht mitnichten darum zu sagen, man entlastet die Großen und die Kleinen nicht. Es geht darum zu sagen, wer im internationalen Wettbewerb ist und hohe Energieintensität hat, der hat keine Chance, den Preis weiterzugeben", sagte Russwurm. "Deutschland hat zum Exportland doch keine Alternative. Wir können uns doch nicht einigeln und glauben, dass wir mit irgendwelchen Autarkieträumen durchkommen. Deutschland muss Industrieland und Exportland bleiben."

Zwar sei die Abgrenzung schwierig, welche Unternehmen in den Genuss eines vergünstigten Strompreises kommen sollten. Aber dies könne kein Argument dafür sein, dass man gar nichts tue.

Die Bundesregierung diskutiert aktuell eine Verlängerung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer über das Jahr 2023 hinaus. Dadurch würden rund 9.000 Unternehmen aus den energieintensiven Branchen bis zu 90 Prozent der Energie- und Stromsteuer zurückbekommen. Die Entlastung würde bei rund 1,7 Milliarden Euro liegen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat außerdem vorgeschlagen, dass global operierende energieintensive Industrien befristet bis 2030 einen Industriestrompreis in Höhe von 6 Cent je Kilowattstunde für maximal 80 Prozent des Verbrauchs garantiert bekommen sollen. Die Kosten schätzt das Ministerium auf insgesamt 25 bis 30 Milliarden Euro.

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September 26, 2023 05:06 ET (09:06 GMT)