Basel (awp) - Die geldpolitische Wende rückt näher - wenn auch zögerlich. Zehn Jahre lockere Zügel haben jedoch Spuren in der Geldpolitik hinterlassen. Ökonomen fürchten, dass die Hüter über die Preisstabilität ihren Einfluss auf die Wirtschaft verloren hätten.

Nach einer jahrelangen Phase expansiver Geldpolitik rund um den Globus steuern die Zentralbanken langsam auf eine Normalisierung zu. Während in den USA die Notenbank Fed bereits vorangegangen ist, stehen die Europäische Zentralbank (EZB) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) erst noch am Anfang.

Die BAK rechnet nun mit einer langsamen, aber stetigen Normalisierung der Geldpolitik, wie Chefökonom Martin Eichler am Donnerstag an der Herbstprognosetagung des Konjunkturforschungsinstituts sagte. In Europa und in der Schweiz dürften die Zinsen aber noch bis 2020 negativ bleiben.

Nicht mehr viel Spielraum da

Die seit der Finanzkrise andauernde Tiefzinspolitik hat Spuren hinterlassen. Der geldpolitische Spielraum scheint fast gänzlich ausgeschöpft. Sprich: Würde jetzt eine Krise eintreten, hätten es die Zentralbanken kaum noch Möglichkeiten, Gegensteuer zu geben.

"Die Zentralbanken haben zwar bewiesen, dass sie sehr kreativ sind", sagte Felix Brill, Anlagechef bei der Liechtensteiner VP Bank, auf einer Podiumsdiskussion. Er würde daher auch nicht ausschliessen, dass sich die Zentralbanken neue innovative Instrumente ausdenken könnten. "Doch viel Luft ist nicht mehr da."

Einerseits haben die Zentralbanker die Zinsen ohnehin schon unter Null gedrückt. Andererseits funktionieren auch bewährte Mechanismen nicht mehr wie früher.

So kann etwa die SNB auch mit einer Ausweitung der Geldmenge kaum mehr Einfluss auf das Volumen der Unternehmenskredite nehmen. "Die Expansion der Geldmenge hat sich kaum in den Unternehmenskrediten niedergeschlagen", sagte Eichler.

Verlagerung der Inflation

"Die Banken sind nicht mehr auf die Zentralbank angewiesen", sagte Mathias Binswanger, Volkswirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Uni St. Gallen. Denn sie übererfüllten die geforderten Reserven, die sie bei der SNB halten müssen, bereits um das Zwanzigfache. Dadurch können sie Geld schöpfen, ohne sich bei der Nationalbank zu refinanzieren.

Die Geschäftsbanken steckten das geschöpfte Geld zudem lieber in Hypotheken als in Unternehmenskredite, sagte Binswanger weiter. Denn Hypotheken bedeuteten weniger Aufwand und weniger Risiko für die Banken. Dazu trage auch das heutige Schweizer System bei, das Schulden steuerlich begünstige.

Die Folge: "Zinsveränderungen haben gar keinen grossen Einfluss mehr auf Banken und das Wirtschaftsgeschehen." Auf Zinsveränderungen würden vor allem die Hypothekarschuldner reagieren. Da bei einer Erhöhung der Geldmenge das Geld vor allem in Hypotheken fliesse und nicht mehr in Firmenkredite, habe sich auch die Inflation hin zu den Immobilienpreisen verlagert, sagte Binswanger.

Deshalb sprach der Ökonom sich dafür aus, dass Zentralbanken auch die Immobilienpreise als Mass für Inflation anschauen müssten, nicht nur die Preise für Güter und Dienstleistungen. "Ich glaube, wir können nicht mehr zur traditionellen Geldpolitik zurückkehren."

Man müsse sich überlegen, wie künftig der Einfluss der Zentralbanken auf die Geldversorgung in der Wirtschaft aufrecht erhalten werden könne. Ein differenzierteres Instrumentarium sei gefragt. So könnten zum Beispiel für die Vergabe von Unternehmenskrediten andere Kriterien festgelegt werden als für Hypotheken.

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