Berlin (Reuters) - Ausländische Investoren haben 2023 einer Studie zufolge ihr Engagement in Deutschland bereits das sechste Jahr in Folge reduziert.

Die Zahl der angekündigten Investitionsprojekte brach um zwölf Prozent zum Vorjahr auf 733 ein, wie das Beratungsunternehmen EY am Donnerstag mitteilte. Das sei der niedrigste Stand seit 2013. "Das ist ein Alarmsignal", sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung bei EY, Henrik Ahlers. "Deutschland wird abgehängt, andere europäische Standorte entwickeln sich viel dynamischer."

Attraktivster Standort in Europa blieb demnach Frankreich, trotz eines Rückgangs um fünf Prozent auf 1194 Neuansiedlungen und Erweiterungen. Großbritannien überholte Deutschland und belegt nunmehr Platz zwei, da gegen den Trend ein Anstieg von sechs Prozent auf 985 Projekte verzeichnet wurde. "Frankreich ist der große Brexit-Gewinner", sagte Ahlers mit Blick auf den britischen EU-Austritt, wegen dem viele britische Unternehmen auf den Kontinent gehen. "Deutschland hingegen hat sogar noch mehr Investitionen verloren als Großbritannien."

London schob sich den Angaben zufolge ganz nach vorn als Europas Investitionsregion Nummer eins, gefolgt von Paris. Besonders ausländische Software- und IT-Anbieter zog es demnach in die britische Hauptstadt.

"ZU HOHE ARBEITSKOSTEN"

Nach den Worten von Ahlers gibt es eine Vielzahl von Gründen für das schwache deutsche Abschneiden. "Wir haben in Deutschland eine hohe Steuerbelastung, hohe Arbeitskosten, teure Energie und gleichzeitig eine lähmende Bürokratie", sagte er. "Das Ergebnis: Die Investitionen sinken, die Stimmung bei Verbrauchern wie Unternehmen ist im Keller, die Konjunktur entwickelt sich so schwach wie in keinem anderen Industrieland."

Mit dem milliardenschweren Subventionsprogramm "Inflation Reduction Act" hätten die USA zudem den Standortwettbewerb weiter verschärft, so EY. Europa habe darauf bislang keine Antwort gefunden. US-Unternehmen blieben im vergangenen Jahr zwar die wichtigsten Investoren in Europa - die Zahl ihrer Projekte schrumpfte allerdings um 15 Prozent, in Deutschland sogar um 22 Prozent. "Die US-Standortpolitik zeigt Wirkung", sagte Ahlers. "US-Konzerne investieren offenbar verstärkt im eigenen Land und seltener in Europa." Sie hätten den Standort Deutschland zwar nicht abgeschrieben. "Aber das Vertrauen der Unternehmen in den Standort Deutschland ist erschüttert."

Europa brauche dringend ausländische Investitionen, sagte EY-Expertin Julie Linn Teigland. Diese würden die europäische Wirtschaft stärken, indem sie Arbeitsplätze schaffen, Innovationen fördern und die Exporte ankurbeln. "Es müssen jetzt dringend Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Europa angesichts der immer schärferen Konkurrenz aus den USA und China wettbewerbsfähig bleibt", sagte Teigland.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)