Washington/Berlin (Reuters) - Die US-Inflation verliert allmählich ihren Schrecken und nährt unter Investoren die Hoffnung auf ein Ende der Zinserhöhungen.

Die Verbraucherpreise stiegen im Juli um 3,2 Prozent nach 3,0 Prozent im Juni, wie das Arbeitsministerium am Donnerstag in Washington mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten allerdings einen stärkeren Anstieg auf 3,3 Prozent auf dem Zettel. Die US-Notenbank Fed will die Inflation eindämmen und es von der Datenlage abhängig machen, ob sie die Leitzinsen im September weiter anhebt oder nicht. An den Terminmärkten verstärkten sich nach den Daten die Spekulationen darauf, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Dort wird die Wahrscheinlichkeit für eine weitere geldpolitische Straffung in diesem Jahr nur noch auf 25 Prozent taxiert. Beim Blick auf die frischen Inflationszahlen achten die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell besonders auf die sogenannte Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel ausgeklammert werden. Diese Rate sank im Juli leicht auf 4,7 Prozent. Ökonomen hatten mit 4,8 Prozent gerechnet. Zum Vormonat ergab sich hier ein moderater Anstieg um 0,2 Prozent - genau so wie es Volkswirte erwartet hatten: Dieser Zuwachs setze die US-Notenbank wohl nicht unter Druck, die Zinsen weiter zu erhöhen, meint Helaba-Experte Ulrich Wortberg. Die Kernrate lässt Rückschlüsse auf die grundlegenden Inflationstrends zu und ist für die Fed daher sehr wichtig.

ARBEITSMARKT KÜHLT AB

"Aus Sicht der Fed dürfte der Inflationsdruck weiter zu hoch sein, weshalb eine Leitzinserhöhung weiter in der Luft liegt", sagte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Wahrscheinlich werde die Fed aber geduldig bleiben.

NordLB-Analyst Bernd Krampen geht davon aus, dass die Fed nun die Füße länger still hält: "Die Zinsanhebungsorgie sollte eigentlich auch perspektivisch beendet sein." Nur sehr starke Arbeitsmarkt- und Inflationszahlen im Verlauf des Herbstes könnten seiner Ansicht nach auf den Zinssitzungen im vierten Quartal eine nochmalige Anhebung rechtfertigen. "Wahrscheinlich ist das aber nicht. Der nächste Zinsschritt weist dann wohl eher wieder nach unten - aber erst 2024."

Die durch die Inflationsdaten bestärkte Hoffnung vieler Investoren auf ein Ende der Zinserhöhungen sorgte für gute Laune an der Wall Street. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte zur Eröffnung 0,3 Prozent höher bei 35.232 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 rückte um 0,4 Prozent auf 4487 Zähler vor. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gewann 0,7 Prozent auf 13.818 Stellen.

Die Daten schlugen vor allem am US-Anleihemarkt große Wellen. Die Rendite der zehnjährigen US-Bonds fiel auf 3,995 Prozent nach zuvor 4,030 Prozent. Die Investoren am Devisen- und Rohstoffmarkt zeigten sich dagegen gelassen. Der Dollar-Index, der den Wert des Greenback zu anderen wichtigen Währen widerspiegelt, weitete zeitweise seine Verluste aus und verlor bis zu 0,7 Prozent, pendelte sich aber schnell wieder bei seinem ursprünglichen Minus von 0,4 Prozent auf 102,05 Punkte ein.

Die Fed hat die Zinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent gehievt, um die Inflation in den Griff zu bekommen und den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen. Vom Jobmarkt kamen nun Signale, die zumindest auf eine leichte Abkühlung hindeuten. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA legte in der vergangenen Woche zu. Insgesamt stellten 248.000 US-Bürger einen Antrag auf staatliche Hilfe, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. In der vorangegangenen Woche waren es lediglich 227.000. Erst bei einer Zahl von 270.000 Erstanträgen wird es kritisch. Das Erreichen dieser Marke gilt als Signal für eine nachhaltige Eintrübung des Arbeitsmarkts.

Beim jüngsten Jobmarktbericht hatte sich gezeigt, dass der Stellenaufbau hinter den Erwartungen der Experten zurückblieb. Ökonomen werteten diese Abschwächung auch als Zeichen, dass die Zinsserie der Fed Wirkung zeige. Aus dem Kreis der Währungshüter kamen unlängst unterschiedliche Signale, wie es weitergehen soll: Laut Direktorin Michelle Bowman dürften noch weitere Zinserhöhungen notwendig sein, um die Inflation zu zähmen. Der Chef des Fed-Bezirks Atlanta, Raphael Bostic, sah zuletzt hingegen keinen Bedarf mehr für Erhöhungen.

(Reuters-Büro Washington, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Zuzanna Szymanska, Klaus Lauer, redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Ann Saphir