Zürich (awp) - Die Schweizerische Nationalbank (SNB) prescht vor und senkt ihren Leitzins ein zweites Mal in Folge. Sie ist sich sicher, dass die monetären Bedingungen eine weitere Zinssenkung erlauben, ohne die Teuerung wieder anzuheizen.

Der sogenannte SNB-Leitzins wird um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent gesenkt, wie die SNB am Donnerstag mitteilte. Die Nationalbank hatte schon im März ihren Leitzins vor allen anderen grossen Notenbanken um ein Viertelprozent gesenkt.

Mittlerweile bzw. vor zwei Wochen hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) einen ersten Schritt um ebenfalls 0,25 Prozentpunkte nach unten vorgenommen. Gerade die geschwundene Zinsdifferenz zum Währungsraum dürfte nach Ansicht von Ökonomen beim SNB-Entscheid eine Rolle gespielt haben.

Den entscheidenden Ausschlag hat aber wohl die steigende politische Unsicherheit in Frankreich gegeben, denken viele Experten. Seit der Ankündigung von Neuwahlen im Nachbarland wertete der Schweizer Franken stark auf.

Inflationsdruck sinkt

Der zugrundeliegende Inflationsdruck in der Schweiz sei seit der letzten Lagebeurteilung im März nochmals gesunken, erklärte Thomas Jordan am Donnerstag bei seiner zweitletzten Pressekonferenz als Präsident des SNB-Direktoriums.

Damit hat die SNB die Inflation in der Schweiz gebändigt. Die Teuerung lag im August 2022 mit 3,5 Prozent auf ihrem Höchststand, kehrte aber in nur zehn Monaten in den anvisierten Bereich von 0 bis 2 Prozent zurück. Bereits im Juni 2022 hatte die SNB den Startschuss zu fünf Zinserhöhungen in Folge gegeben.

Dass die Inflation hierzulande zuletzt wieder auf 1,4 Prozent gestiegen ist, beunruhigt Jordan nicht. Denn steigende Wohnungsmieten hätten rund die Hälfte zu diesem Anstieg beigetragen. "Dieser Beitrag dürfte über die Zeit wieder geringer werden", sagte er mit Blick auf den seit einem halben Jahr stagnierenden Referenzzinssatz für Wohnungsmieten, an dem sich die Vermieter ausrichten müssen.

"Vernünftige" Lohnentwicklung in der Schweiz

Andere Gründe für ein Wiederaufflackern der Teuerung sehen die Währungshüter nicht. "Die Zweitrundeneffekte fallen etwas geringer aus, als wir zuletzt noch angenommen haben", sagte Jordan. Er sehe nur wenig Anzeichen für eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale.

So sei etwa die Lohnentwicklung in der Schweiz "vernünftig" geblieben. Lob gab es aber auch für die Unternehmen: Laut dem SNB-Chef haben sie die höheren Kosten nicht im grossen Stil auf die Verkaufspreise übertragen.

Die geringeren Zweitrundeneffekte schlagen sich auch in etwas tieferen Inflationsprognosen der SNB nieder - der wichtigsten Indikation der Nationalbank für die weitere Zinsrichtung. Diese bleibt für den ganzen Prognosehorizont im Zielband der Preisstabilität.

Konkret geht die SNB laut ihrer neusten Prognose davon aus, dass die Inflation 2024 bei durchschnittlich 1,3 Prozent zu liegen kommt. Für 2025 und 2026 werden Werte von 1,1 und 1,0 Prozent erwartet.

Industrie erleichtert

Lob gab es von den Unternehmen. Der Verband Swissmechanic, der die kleinen und mittelgrossen Unternehmen der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallbaubranche vertritt, begrüsste den Entscheid der SNB in einer Stellungnahme.

Die Zinssenkung sei "ein wichtiger Schritt", um die Wettbewerbsfähigkeit der stark exportorientierten MEM-Industrie zu stärken. Denn der starke Franken setze die Branche unter Druck.

"Wunsch erfüllt", kann mit Blick auf den Devisenhandel gesagt werden: Nach dem Zinsentscheid schwächte sich der Schweizer Franken um jeweils rund einen halben Rappen zum Euro und zum US-Dollar ab.

ra/uh