Von Paul Hannon

BRÜSSEL (Dow Jones)--Die Verbraucherpreisinflation in der Eurozone dürfte in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres auf das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) fallen, und die politischen Entscheidungsträger sollten ihren Leitzins bis zum dritten Quartal 2025 auf 2,5 Prozent senken, teilte der Internationale Währungsfonds (IWF) mit.

In seinem Jahresbericht über die Wirtschaft der Eurozone erklärte der IWF auch, dass die neuen Haushaltsregeln "erhebliche" Änderungen bei Steuern und Ausgaben erfordern, wenn sie durchgesetzt werden sollen.

Die EZB hat ihren Leitzins am 6. Juni gesenkt, gab jedoch kaum Hinweise auf den künftigen Kurs. Nach Ansicht des IWF sollten die Kreditkosten "allmählich" sinken, um bis September nächsten Jahres ein "neutrales" Niveau zu erreichen, bei dem sie weder die Nachfrage weder stimulieren noch bremsen. Der Währungsfonds schätzt dieses Niveau auf 2,5 Prozent, verglichen mit dem derzeitigen Satz von 3,75 Prozent.

"Eine fortgesetzte, allmähliche geldpolitische Lockerung würde ein Gleichgewicht zwischen der Beibehaltung verankerter Inflationserwartungen und der Vermeidung eines übermäßig restriktiven politischen Kurses schaffen", so der IWF.

Die Wirtschaft der Eurozone werde sich zwar in diesem und im nächsten Jahr von dem Schock des russischen Einmarsches in der Ukraine "moderat" erholen, die längerfristigen Aussichten seien jedoch schwach.

"Die Bevölkerungsalterung und das schleppende Produktivitätswachstum belasten die mittelfristigen Aussichten", so der Fonds. "Sich verschärfende geopolitische Spannungen, Handelsstreitigkeiten und eine verzerrende Industriepolitik können die wirtschaftlichen Aussichten und das politische Umfeld für eine Region, die für den Handel sehr offen ist, weiter erschweren.

Die Eurozone hat ihre Haushaltsbestimmungen während der Covid-19-Pandemie und nach dem Einmarsch in der Ukraine ausgesetzt. Diese Bestimmungen wurden jedoch in diesem Jahr reaktiviert, wenn auch in veränderter Form.

Die Europäische Kommission empfahl am Mittwoch Disziplinarmaßnahmen gegen eine Reihe von Regierungen, darunter auch Frankreich, wo am 30. Juni Parlamentswahlen in zwei Runden anstehen. Die Renditen für europäische Staatsanleihen sind seit der Ankündigung der Wahlen gestiegen, da die Anleger befürchten, dass die wahrscheinlichen Wahlsieger die Kreditaufnahme erhöhen wollen.

Der Fonds erklärte, dass die Befolgung der neuen Bestimmungen für eine Reihe von Regierungen umfangreiche Anpassungen der Kreditaufnahmepläne erfordern wird.

"Der neue EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung wird... nachhaltige politische Unterstützung benötigen, um wie vorgesehen umgesetzt zu werden", so der Fonds.

Der Fonds warnte auch davor, dass Europas Abkehr von fossilen Brennstoffen zwar mittelfristig seine Wettbewerbsfähigkeit steigern werde, die Kosten für die Steigerung der Energieeffizienz jedoch kurzfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gegenüber internationalen Konkurrenten schwächen könnten.

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June 20, 2024 11:27 ET (15:27 GMT)