Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die US-Notenbank hat den Börsen einmal mehr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zwar haben die Währungshüter die Geldpolitik bestätigt, zugleich aber einen weiteren Zinsschritt im laufenden Jahr in den Raum gestellt. Auch von zügigen Zinssenkungen ab 2024 will die Fed offenbar nichts wissen. Das ist dem DAX nicht gut bekommen. Mit derzeit 15.500 Punkten notiert der DAX um die technisch wichtige 200-Tagelinie. Die Chancen stehen aber gut, dass er dieses Niveau halten wird. Wie auch in der Vergangenheit werden sich die Anleger damit abfinden, dass die Geldpolitik länger restriktiv bleiben wird.

"Higher for longer" ist erneut zur Bedrohung für die Börsen geworden. "Dabei zeigt sich wieder einmal, welches Gewicht die Stimme der Fed hat. Dass die Notenbanken in der Schweiz und in Großbritannien gestern entgegen den Erwartungen nicht an der Zinsschraube gedreht haben, hatte am Markt kaum eine positive Auswirkung", so QC Partners. Die Furcht vor länger höheren US-Zinsen überstrahle im Moment alles. Die Zinsen 10-jähriger US-Staatsanleihen seien gestern auf ein neues 16-Jahres-Hoch geklettert - am Freitagmorgen lag die Rendite bei rund 4,50 Prozent.


   Es geht in der Geldpolitik nur noch um Feinsteuerungen 

Das ändert nichts daran, dass es bei der Geldpolitik letztlich nur noch um Feinsteuerungen geht. Das Zinsplateau dürfte in vielen Fällen erreicht worden sein, in einigen Schwellenländern haben die Zentralbanken sogar bereits damit begonnen, die Zinsen zu senken. Ein wichtiger Grund dafür ist die Entwicklung der Inflation. Wenn auch weiterhin zu hoch, so weist sie doch klar in die richtige Richtung, nämlich nach unten.

Das sollten auch die Verbraucherpreise aus der Eurozone am kommenden Freitag zeigen. Die Inflationsrate dürfte im September deutlich um 0,8 Prozentpunkte auf 4,4 Prozent gefallen sein. "Besonders Beachtung dürfte der Fall der Kernteuerungsrate von 5,3 auf 4,7 Prozent finden" so die Erwartung der Commerzbank. Rund die Hälfte des Rückgangs sei darauf zurückzuführen, dass in Deutschland im September 2022 das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr ausgelaufen sei. Aber auch ohne diesen Effekt zeige der Trend bei der Kernrate nach unten. So habe inzwischen der Preisauftrieb bei Nahrungsmittel spürbar nachgelassen. Im September dürften sie saisonbereinigt nur noch geringfügig gestiegen sein, heißt es.


   Ifo-Geschäftsklimaindex dürfte weiter fallen 

Die große Unbekannte ist die weitere Entwicklung der Wirtschaft. Geldpolitik wirkt zeitverzögert, und die massiven Zinserhöhungen in den vergangenen Monaten sind noch nicht vollständig in der Wirtschaft bzw bei den Unternehmen angekommen. Wie es um die Unternehmen aktuell steht, wird die bald beginnende Berichtssaison für das dritte Quartal zeigen. Eine Serie von aktuellen Gewinnwarnungen aus verschiedenen Sektoren legt zumindest nahe, dass sich der konjunkturelle Gegenwind zunehmend bemerkbar macht.

Der am kommenden Montag zur Veröffentlichung anstehende Ifo-Geschäftsklimaindex ist wohl im September weiter gefallen und mit voraussichtlich 84,5 Punkten zum ersten Mal wieder schlechter als im Herbst 2022, meint die Commerzbank. "Während sich allerdings damals insbesondere die Erwartungen wegen der drohenden Gasrationierungen spürbar eingetrübt hatten und die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage noch recht positiv ausfiel, spüren die Unternehmen die sich abschwächende Konjunktur nun auch in ihrem Geschäft." All dies lasse für die kommenden Monate für die deutsche Wirtschaft nichts Gutes erwarten, das Risiko für eine Rezession würde mit einem weiteren Rückgang des Ifo weiter steigen.


   Niedrige Bewertungen sprechen für den DAX 

Dennoch stehen die Chancen auf eine technische Gegenbewegung an den Börsen - mehr ist nicht drin - nach den jüngsten Verlusten gut. Neben dem voraussichtlichen Rückgang der Inflationszahlen für September dürfte auch der jüngste Rückgang der Ölpreise bei den Anlegern Gefallen finden; Brent und WTI haben sich in den vergangenen Tage deutlicher von der psychologisch wichtigen Marke von 100 Dollar nach unten abgesetzt.

Eine wichtige Stütze für die Börsen stellen die niedrigen Bewertungen, zumindest in Europa, dar. Das DAX-KGV liegt mit 11 derzeit weit unter dem historischen Durchschnitt von rund 15. Niedrig bewertet sind laut der Commerzbank insbesondere Unternehmen aus den Sektoren Immobilien, Chemie und Automobil, was auch zum großen Teil dem konjunkturellen Umfeld geschuldet sei. Das Kurs-Buch-Verhältnis von Volkswagen ist auf ein 15-Jahrestief gefallen, wofür es angesichts der zunehmenden chinesischen Konkurrenz bei Elektroautos auch gute Gründe gibt. Wie dem auch sei, es sieht derzeit nicht danach aus, als ob der DAX aus seiner seit Monaten währenden Seitwärtsbewegung ausbrechen wird.

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September 22, 2023 07:45 ET (11:45 GMT)