Zürich (awp) - Fed-Chef Jerome Powell ist es gelungen, die Investoren zu beruhigen - auch die Schweizer. So folgt der hiesig Aktienmarkt am Donnerstag denn auch dem Beispiel der Wall Street und präsentiert sich freundlich. Am Vorabend hatte die US-Notenbank Fed den Leitzins wie erwartet um 0,5 Prozentpunkte angehoben. "Die Zurückhaltung der vergangenen Tage wandelt sich bei denjenigen nun in etwas Kaufbereitschaft, die entweder von einem höheren Schritt schon gestern oder einer Tempoverschärfung im Jahresverlauf gerechnet hatten", beschreibt ein Händler die aktuelle Stimmung. Und eine Tempoverschärfung habe Powell zumindest nicht angedeutet, auch indem er auf die konjunkturellen Abwärtsrisiken hinwies.

"Nun liegt es an der Inflation, sich zu beruhigen", so der Börsianer weiter. "Wenn nicht, könnte sich die moderatere Tonart des Fed von gestern auch ganz schnell wieder ändern." Zudem behielten Anleger den anhaltenden Ukraine-Krieg sowie die Unterbrechung der Lieferketten aufgrund von Virusinfektionen in China im Hinterkopf, was die optimistische Stimmung schnell wieder dämpfen könnte. Denn beide Faktoren machten die Wirtschaftsaussichten langfristig kompliziert und unsicher. So sind denn auch die jüngsten Konjunkturdaten aus China oder Deutschland schwach ausgefallen.

Der SMI gewinnt gegen 11.10 Uhr 0,61 Prozent hinzu auf 11'952,8 Punkte. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, steigt um 0,77 Prozent auf 1854,50 und der breite SPI um 0,65 Prozent auf 15'373,56 Zähler. Im SLI stehen 22 Gewinnern acht Verlierer gegenüber.

Die grössten Gewinne verzeichnen dabei vor allem jene Werte, die zuletzt verstärkt Federn gelassen haben. Sowohl Logitech als auch Partners Group gewinnen jeweils mehr als 4 Prozent hinzu. Seit Jahresbeginn haben beide mindestens 20 Prozent an Wert verloren. Beim Computerzubehör-Hersteller Logitech sprechen Händler denn auch von einer Gegenbewegung.

Auch Geberit (+3,3%) gehören zu jenen Werten, bei denen Investoren nach den bisherigen Kursverlusten im laufenden Jahr verstärkt zugreifen. Der Sanitärtechnik-Konzern hatte am Vortag Zahlen vorgelegt, auf die Analysten nun uneinheitlich reagieren, wobei die Mehrheit ihre Kursziele nach unten anpassen.

Insgesamt sind konjunktursensible Werte stärker gefragt als die Vertreter der defensiven Branchen. Entsprechend gewinnen VAT, AMS Osram oder auch ABB mit Kursgewinnen zwischen 1,2 und 2,3 Prozent überdurchschnittlich stark hinzu.

Zu den Verlierern zählen die Aktien der beiden Unternehmen, die am Morgen Zahlen vorgelegt haben. Die Adecco-Titel (-4,5%) weiten im Handelsverlauf ihre Abgaben denn auch immer weiter aus. Der Personaldienstleister hat laut Analysten ein durchwachsenes erstes Quartal hinter sich. Die Dynamik der Konkurrenz sei zum Teil klar besser gewesen, heisst es. Gleichzeitig wird Denis Machuel den CEO-Posten am kommenden 1. Juli von Alain Dehaze übernehmen.

Der Rückversicherer Swiss Re (-2,3%) wird nach Zahlen ebenfalls gemieden. Die Gruppe hat im Startquartal wegen Belastungen zu Naturkatastrophen und zur Corona-Pandemie sowie aufgrund von Rückstellungen zum Ukraine-Krieg einen hohen Verlust erlitten. Und es ist noch kaum absehbar, wie hoch die Kosten zum Krieg tatsächlich ausfallen werden.

Dass der Markt seine Gewinne im Handelsverlauf etwas eindämmt, ist auch den Schwergewichten Roche (-0,1%), Novartis (+0,1%) und Nestlé (+0,3%) geschuldet, die dem Markt hinterherhinken. Aus den defensiven Reihen fallen auch Swisscom mit -0,7 Prozent zurück.

Der Logistikkonzern Kühne+Nagel (-3,1% oder -8,5 Fr.) wirkt unterdessen nur optisch schwächer. Die Anteilsscheine werden ex Dividende 10 Franken gehandelt.

Nach Zahlen wiederum gesucht sind in den hinteren Reihen die Aktien von Addex (+5,1%) und Montana Aerospace (+3,9%). Dagegen landen Landis+Gyr (-1,0%) nach Jahreszahlen auf den Verkaufslisten.

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