-- Haushalte erhalten 80 Prozent des Gasverbrauchs verbilligt

-- Gesetze sollen Freitag im Bundesrat beschlossen werden

-- Lindner: Maßnahmen begründen keinen Dauerzustand

(NEU: Strompreisbremse, weitere Details, Reaktionen)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Bundestag hat die Preisbremsen für Gas und Strom beschlossen, die die Folgen der hohen Energiepreise für Bevölkerung und Unternehmen abfedern sollen. Die Entlastung bestimmt sich nach einem Kontingent des Erdgas- und Wärmeverbrauchs zu einem vergünstigten Preis. Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen sollen laut dem Gesetzespaket, das bereits am Freitag abschließend auch im Bundesrat behandelt werden soll, von ihren Lieferanten 80 Prozent ihres Erdgasverbrauchs zu 12 Cent je Kilowattstunde bzw 80 Prozent ihres Wärmeverbrauchs zu 9,5 Cent je Kilowattstunde erhalten.

Die Maßnahme soll ab März nächsten Jahres gelten, dann aber rückwirkend auch für Januar und Februar greifen. Industriekunden sollen von ihren Lieferanten laut dem Beschluss des Bundestages 70 Prozent ihres Erdgasverbrauchs zu 7 Cent je Kilowattstunde oder 70 Prozent ihres Wärmeverbrauchs zu 7,5 Cent je Kilowattstunde erhalten.

Durch die Strompreisbremse sollen Verbraucher bis 30. April 2024 bei den Strompreisen entlastet werden. Haushalte und Kleingewerbe sollen ein auf 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh) gedeckeltes Kontingent in Höhe von 80 Prozent ihres historischen Netzbezuges erhalten. Entnahmestellen mit mehr als 30.000 kWh Jahresverbrauch, also insbesondere mittlere und große Unternehmen, erhalten ein auf 13 Cent/kWh gedeckeltes Kontingent in Höhe von 70 Prozent.

"Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist wichtig: Wie schon bei der Dezember-Soforthilfe müssen sie selbst nichts tun, um von der Entlastung zu profitieren", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. "Es müssen keine Erstattungsanträge oder Ähnliches gestellt werden." Die Entlastung erfolge automatisch über die Versorger durch niedrigere Abschläge beziehungsweise niedrigere Endabrechnungen auf Basis des bestehenden Vertrags.


Lindner: Maßnahmen begründen keinen Dauerzustand 

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellte aber klar, die Preisbremsen seien eine Ausnahme. "Die Energiepreisbremsen und Markteingriffe sind eine Reaktion auf den Energiekrieg", erklärte er über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Sie begründen keinen Dauerzustand, sondern schützen Existenzen und wirtschaftliche Substanz", hob Lindner hervor.

Die für die Entlastungsmaßnahmen erforderlichen Finanzmittel sollen laut dem Gesetz zu einem erheblichen Teil aus der Stromwirtschaft generiert werden. Deren kriegs- und krisenbedingte Überschusserlöse sollen mit dem Gesetz "in angemessenem Umfang" abgeschöpft und zur Finanzierung der Entlastungsmaßnahmen verwendet werden. Die Abschöpfung erfolgt laut Wirtschaftsministerium ab dem 1. Dezember 2022. Die Laufzeit der Abschöpfung ist demnach zunächst bis zum 30. Juni 2023 befristet, soll aber im Lichte einer Überprüfung durch die EU-Kommission verlängert werden können, höchstens jedoch bis zum 30. April 2024.

In der Bundestagsberatung wurden noch Ergänzungen an mehreren Gesetzesplänen vorgenommen, so wurde ein Boni- und Dividendenverbot für Unternehmen eingefügt, die Stabilisierungsmaßnahmen in Form einer Rekapitalisierung erhalten. Laut Bundestag soll demnach ein Unternehmen, das eine Entlastungssumme über 25 Millionen Euro bezieht, den Mitgliedern seiner Geschäftsführung sowie Mitgliedern von gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsorganen bis Ende 2023 keine Boni oder vergleichbare Vergütungen gewähren dürfen.

Zudem sieht eine Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes vor, dass es Programme zur Abfederung von Preissteigerungen für private Verbraucher geben soll, falls diese Brennstoffe wie beispielsweise Heizöl, Pellets oder Flüssiggas nutzen und "nicht in ausreichendem Ausmaß von der Strom- und Gaspreisbremse oder anderen Entlastungsmaßnahmen erfasst werden".


Wohnungswirtschaft sieht gute Lösung 

Die Wirtschaft begrüßte die Beschlüsse. Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, nannte es "wichtig und richtig, dass die Entlastungen, die Wohnungsunternehmen über die Energielieferanten erhalten, im Rahmen der Betriebskostenabrechnung berücksichtigt werden können". Das sei sowohl für Mieter als auch Vermieter eine gute und vor allem machbare Lösung.

Hingegen forderte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, einen "echten Härtefallfonds", aus dem Menschen mit kleinen Renten und Einkommen schnell Hilfe erhielten. Die Preisbremsen reichten "schlicht nicht aus, um die existenzielle Not vieler Menschen zu lindern".

Linke-Vorsitzende Janine Wissler kritisierte die Energiepreisbremse als "ungerecht und unökologisch". Sie nütze denen am meisten, die in der Vergangenheit am meisten verbraucht und am wenigsten gespart hätten. "Statt den beheizten Pool vom letzten Jahr zu belohnen, sollte heute allen das gleiche kostengünstige Grundkontingent zur Verfügung gestellt werden", forderte sie.

Der Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende, Daniel Mittler, erklärte, mit dem Dividenden- und Boniverbot werde verhindert, "dass riesige Staatshilfen an Unternehmen fließen können, während parallel Dividenden ausgeschüttet werden". Es sei falsch, dass das Dividendenverbot erst ab hohen Millionensubventionen greife, aber im Gegensatz zu den Entscheidungen bei den Corona-Hilfen gehe der Beschluss zumindest in die richtige Richtung.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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December 15, 2022 08:25 ET (13:25 GMT)