FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag wie erwartet ihre Zinsen nicht angetastet. Auch sonst wurde die Geldpolitik nicht verändert. Der EZB-Rat beschloss jedoch eine Überprüfung der geldpolitischen Strategie. Das sagen Experten zu den Beschlüssen:

Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter LBBW Research:

"Frau Lagarde macht Ernst. Mit der Veröffentlichung eines konkreten Zeitplans und entsprechenden Rahmendaten geht die EZB nun sehr zielgerichtet die Neuformulierung ihrer geldpolitischen Strategie an. Damit ist die Debatte eröffnet. Jetzt muss geliefert werden. Die restlichen Informationen und Einschätzungen blieben unspektakulär respektive unverändert und daher ohne große Marktbewegung."

Jan Holthusen, Leiter Fixed Income Research, DZ Bank:

"Ein interessantes Statement bezüglich Hinweisen, ob Christine Lagarde eher einen hawkishen oder dovishen Kurs favorisiert, war die Brosche, die sie heute trug - eine Eule! Auf der anderen Seite wird die EZB angesichts der nun laufenden strategischen Überprüfung der Geldpolitik auch nicht unbedingt gewillt sein, Anpassungen vorzunehmen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Warum sollte man auch, wenn man in einem Jahr vielleicht eine andere Herangehensweise hat."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP-Bank:

"Soviel steht fest: Die EZB des Jahres 2021 wird nicht mehr vollständig vergleichbar sein mit der EZB des Jahres 2020. Die EZB wird sich unter Christine Lagarde wandeln. Dies muss auch für die kritischen Deutschen nichts Schlechtes bedeuten. Es wird also zum Jahresende 2020 so richtig spannend werden."

Ralf Umlauf, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen:

"Die Währungshüter halten am Lockerungsbias fest. Zwar ist die Teuerungsrate zuletzt etwas gestiegen, sie liegt aber weiterhin deutlich unterhalb der Zielmarke und auch die Inflationserwartungen sind gering. Zudem ist die konjunkturelle Schwächephase der Industrie noch nicht überwunden, auch wenn es erste Stimmungsbarometer gibt, die darauf hindeuten. Per saldo kann eine weitere Lockerung der Geldpolitik in den kommenden Monaten nicht ausgeschlossen werden. Der EZB-Rat wird daher die eingehenden Konjunkturdaten genauestens beobachten. Spannend in diesem Zusammenhang wird sein, inwieweit die Projektionen der EZB zu Wachstum und Inflation bei der Märzsitzung verändert werden, zumal marktseitig Zinssenkungserwartungen weitestgehend ausgepreist wurden."

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank:

"Die EZB wird ihren Lockerungs-Bias beibehalten: Sie steht also Gewehr bei Fuß und wird handeln, sobald es die Situation erfordert. Wir rechnen allerdings vorerst nicht mit weiteren zinspolitischen Maßnahmen. Die Währungshüter aus Frankfurt werden sich wohl eher die Bundesregierung vorknöpfen und mehr öffentliche Ausgaben fordern. In den laufenden Diskussionen im Rahmen ihrer Strategieüberprüfung könnte die EZB außerdem ein symmetrisches Inflationsziel in den Vordergrund rücken - ähnlich wie in den USA. Die Teuerung dürfte dann nach einer Phase der Zielverfehlung auch mal eine längere Zeit über dem Ziel liegen."/jsl/he