Inhalt:
  • Die zelluläre Methode: Fleisch und Milch aus Stammzellen
  • Die azelluläre Methode: Milch- und Eiprodukte durch Fermentation
  • Vor- und Nachteile der zellulären Landwirtschaft

Viehzucht macht etwa 14,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus. Die Lebensmittelindustrie insgesamt ist für ein Drittel unserer CO2-Emissionen verantwortlich. Milliarden von Menschen täglich mit Nahrung zu versorgen, ist bereits heute eine monumentale Aufgabe, die mit der wachsenden Weltbevölkerung nicht einfacher wird. Von der Abholzung bis zum Transport, von der Abfallbewirtschaftung bis zur Lebensmittellagerung - jeder Schritt in der Lebensmittelkette bringt einen hohen CO2-Fußabdruck mit sich.

Doch wenn die Weltgemeinschaft das Ziel erreichen möchte, bis 2050 klimaneutral zu sein, wie im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegt, muss die Lebensmittelindustrie noch große Sprünge machen. Wissenschaftler_innen auf der ganzen Welt setzen darauf, zukünftig im Labor Lebensmittel herzustellen, die Fleisch und Milchprodukten so ähnlich sind, dass die Viehzucht überflüssig wird. Zellkulturen sollen also Nutztiere ersetzen. Dafür gibt es aktuell zwei Herangehensweisen:

Die zelluläre Methode: Fleisch und Milch aus Stammzellen

Bei der zellulären Methode werden tierische Produkte direkt aus Stammzellen kultiviert. Die Stammzellen werden vorab den Tieren durch eine Biopsie entnommen und anschließend mit Nährstoffen versorgt. Die Zellen vermehren sich, sodass beispielsweise Muskelgewebe heranwächst. Man nennt das Ergebnis auch In-vitro-Fleisch oder auf Englisch Cultured oder Clean Meat. Geschmack und Konsistenz dieses künstlich hergestellten Fleisches sind vergleichbar mit dem aus der Viehzucht.

Im Jahr 2013 stellte der Wissenschaftler Mark Post den weltweit ersten im Labor gezüchteten Rindfleisch-Burger vor. Der Burger kostete damals noch 250.000 Euro.

Nach eigenen Angaben kann sein Unternehmen Mosa Meat heute etwa 80.000 Burger aus nur einer Zellprobe von der Größe eines Sesamkorns herstellen. Bei Marktreife rechnet Mosa Meat mit einem Preis von 9 Euro pro Burger.

Vollmilch ohne Kuh

Das Unternehmen TurtleTree Labs in Singapur arbeitet auch mit Stammzellen. Es ist das erste Unternehmen weltweit, das Stammzellen von Säugetieren für die synthetische Milchproduktion verwendet. Mithilfe von Zellkulturen entsteht in großen Bioreaktoren Vollmilch, ganz ohne Massentierhaltung und mit 98 Prozent weniger CO2-Emissionen.

Milchkühe produzieren bei der Verdauung enorm viel Methan, ein starkes Treibhausgas, das in den ersten hundert Jahren in der Atmosphäre bis zu 25-mal mehr Wärme als CO2 speichert. Die Anzahl an Milchkühen weltweit zu reduzieren, würde einen enormen Schritt hin zur Klimaneutralität bedeuten. Die Bioreaktoren könnten außerdem direkt dort platziert werden, wo die fertige Milch verkauft wird. Das senkt die Emissionen weiter und reduziert zudem Transportkosten.

Die azelluläre Methode: Milch- und Eiprodukte durch Fermentation

In der zellulären Landwirtschaft gibt es noch einen zweiten Ansatz: Bei der azellulären Methode kommen keine Stammzellen, sondern nur einzelne DNA-Abschnitte, also Gene, zum Einsatz. Die Gene werden auf einen Mikroorganismus übertragen. Im Rahmen eines Fermentationsprozesses entsteht dann das gewünschte Protein, das wiederum zur Herstellung von Milch- oder Eiprodukten benutzt werden kann.

Fermentation ist ein natürlicher Prozess, der seit vielen Jahren genutzt wird, um Zutaten geschmacklich zu verändern oder haltbar zu machen: Brot, Gurken, Sauerkraut, Miso, Kombucha, Bier und Wein sind nur wenige Beispiele für die vielen fermentierten Speisen und Getränke weltweit.

In der Biologie bezieht sich der Begriff auf den Stoffwechselvorgang eines Mikroorganismus, bei dem Nahrung - in einer sauerstofffreien Umgebung - in Energie umgewandelt wird. Bei der sogenannten Precision Fermentation (dt. Präzisionsfermentation) können Mikroorganismen so "geschult" werden, dass sie jedes erwünschte Molekül produzieren können.

Erdbeereis aus Pilzkulturen

Das indische Start-up Perfect Day zum Beispiel fügt Pilzen bestimmte Gensequenzen zu, die im Körper einer Kuh dafür sorgen, dass Milchproteine wie Molkenprotein produziert werden. Perfect Day entnimmt allerdings keine DNA aus einer Kuh, sondern nutzt bereits entschlüsselte Gene für die Milchproteine. In dem folgenden Fermentationsprozess produzieren die Pilze dann die gewünschten Milchproteine. Daraus kann wiederum eine Flüssigkeit herstellt werden, die ähnliche Eigenschaften wie Kuhmilch hat. Selbstverständlich können auch andere Milchprodukte wie Eiscreme oder Frischkäse daraus entstehen.

Vor- und Nachteile der zellulären Landwirtschaft

Die Vorteile der zellulären Landwirtschaft liegen auf der Hand: Sie macht die industrielle Tierhaltung überflüssig und damit würden alle damit verbundenen negativen Auswirkungen entfallen. Boden- und Wasserverschmutzung fielen weg, die Weideflächen könnten aufgeforstet oder für den lokalen Anbau von Grundnahrungsmitteln genutzt werden. Die CO2-Emissionen und der Einsatz von Pestiziden würden deutlich verringert, sogar die Überfischung der Meere könnte damit gelöst werden.

Allerdings müsste damit in Kauf genommen werden, dass die Lebensmittel unter Einsatz von Gentechnik hergestellt werden. Gentechnik wird häufig kritisch gesehen, wobei sich die Kritik oft gegen gentechnisch manipulierte Pflanzen richtet, weil nicht klar ist, inwieweit sie das Ökosystem beeinflussen. Das trifft auf Lebensmittel, die aus der zellulären Landwirtschaft stammen, nicht zu. Die Endprodukte sollen sogar gesünder sein als aus herkömmlicher Produktion, weil sie ganz genau auf den menschlichen Bedarf abgestimmt werden können.

Die Akzeptanz für tierische Produkte aus dem Labor ist bereits größer als man denkt: Laut Studien würden mehr als die Hälfte aller Deutschen synthetisch produziertes Fleisch essen.

Dieser Artikel ist Teil der Serie "Nahrung der Zukunft". Die weiteren Teile dieser Serie behandeln die Themen Kreislaufwirtschaft, Vertical Farming und neue Lebensmittel.

Den ersten Teil der Serie zum Thema Kreislaufwirtschaft können Sie hier lesen: Kreislaufwirtschaft: Mehr Lebensmittel, weniger Abfall - Bank & Umwelt (bankundumwelt.de)

Von: Barbara Ward
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UmweltBank AG published this content on 19 January 2023 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 19 January 2023 09:10:06 UTC.