MONTE CARLO/BOSTON (dpa-AFX) - Rückversicherer wie Munich Re und Hannover Rück haben ihr Branchentreffen in Monte Carlo mit bangem Blick auf Hurrikan "Irma" und Florida begonnen. Die erwarteten Verwüstungen durch den Wirbelsturm könnten die Branche teuer zu stehen kommen. Die Risikoexperten des Versicherungsdienstleisters AIR Worldwide aus Boston schätzen die versicherten Schäden durch "Irma" in den USA und auf mehreren karibischen Inseln auf 20 bis 65 Milliarden US-Dollar (17 bis 54 Mrd Euro). Die Munich Re wittert nun Zusatzgeschäft - und eine teilweise Preiswende.

Der Großteil der von AIR Worldwide prognostizierten "Irma"-Schäden würde mit 15 bis 50 Milliarden Dollar auf die Vereinigten Staaten entfallen. Die Prognosespanne ist noch ziemlich groß, denn zum Zeitpunkt der Schätzung hatte "Irma" Florida noch nicht erreicht.

"Irma" ist der schwerste jemals in der Region registrierte Tropensturm und kam in den vergangenen Tagen auf Spitzen-Windgeschwindigkeiten von 290 Kilometern pro Stunde. Der Hurrikan der zweithöchsten Kategorie vier zog am frühen Sonntagmorgen über die Inselkette der Florida Keys hinweg. Sein Kurs sollte nun an Floridas Westküste entlangführen. Die verbliebenen Menschen bereiteten sich auf bis zu 4,5 Meter hohe Sturmfluten vor.

Den Schätzungen zufolge würde "Irma" die Versicherungsbranche viel heftiger treffen als Hurrikan "Harvey" wenige Tage zuvor. Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek schätzte die versicherten "Harvey"-Schäden am Sonntag in Monte Carlo auf 20 bis 30 Milliarden US-Dollar. Das wäre etwa so viel wie bei Wirbelsturm "Sandy" im Jahr 2012. Bei "Harvey" hat Jeworrek auch Schäden eingerechnet, die von dem staatlichen Flutversicherungsprogramm NFIP abgedeckt werden.

Versicherer und Rückversicherer müssen bei "Harvey" vor allem für Wind- und Sturmschäden geradestehen. Allerdings hat auch das NFIP Deckungen bei Rückversicherern eingekauft, die sich laut der Ratingagentur Standard & Poor's auf rund eine Milliarde US-Dollar belaufen. Auch Munich Re sei daran beteiligt, bestätigte Jeworrek. Der Großteil der durch Harvey angerichteten Schäden ist aber gar nicht versichert. Der Gouverneur des US-Bundesstaates Texas, Greg Abbott, schätzte die Kosten für den Wiederaufbau auf bis zu 180 Milliarden Dollar (152 Mrd Euro).

Jeworrek rechnet nun damit, dass nach "Irma" die Nachfrage nach Ersatz-Versicherungsdeckungen steigt. Die bisher rückversicherten Schadensummen seien nach den Stürmen voraussichtlich aufgezehrt. Die Hurrikan-Saison sei aber noch nicht vorüber. Zudem rechnet der Manager damit, dass die Preise für Rückversicherungsschutz in den betroffenen Gebieten deutlich anziehen. Ob hohe Schäden den seit Jahren grassierenden Preiskampf in der Branche auch insgesamt beenden werden, wagte er indes nicht vorauszusagen.

Beim "Rendez-vous de Septembre" in Monte Carlo an der Côte d’Azur treffen sich Rückversicherer wie Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück seit diesem Wochenende wie jedes Jahr mit Erstversicherern wie Allianz und Axa sowie Maklern, um Preise und Konditionen für die Vertragserneuerung zum folgenden Jahreswechsel abzustecken. Die Erneuerung zum 1. Januar gilt in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung als die wichtigste eines jeden Jahres.

Zuletzt hatten eher geringe Katastrophenschäden den Erstversicherern immer wieder Argumente gegeben, die Preise nach unten zu drücken. Befeuert wurde der Preiskampf auch durch die dicken Kapitalpolster der Branche sowie branchenfremde Anleger, die etwa über Katastrophenanleihen im Geschäft mit Katastrophenschäden mitmischen. Dadurch wuchs das Angebot für Rückversicherungsschutz, die Nachfrage hielt dabei nicht mit. Jeworrek warb nun dafür, dass Staaten und Versicherer den Schutz gegen Naturkatastrophenschäden ausbauen. "Eine hohe Versicherungsdichte vor allem bei Naturgefahren ist ein wichtiger Faktor, damit sich eine getroffene Region schnell wieder erholen kann", sagte er.

"Ob 'Irma' den Markt verändert, wird man sehen müssen", sagte Analyst Robert DeRose von der auf Versicherer spezialisierten Ratingagentur A.M. Best. Es könnte auch sein, dass in der Folge nur Rückversicherungsschutz in den betroffenen Regionen teurer werde, sagte sein Kollege Johannes Bender von Standard & Poor's im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Entscheidend könnte den Experten zufolge auch sein, ob geschädigte Inhaber von Katastrophenanleihen künftig erneut auf Katastrophen wetten./stw/he