In der Finanzwelt ist der Jahresstart nahezu unumgänglich mit einer Vielzahl an Prognosen und Ausblicken verbunden. Kapitalmarktexperten unterschiedlichster Kompetenz äußern sich dazu, wohin die Reise an den Börsen rund um den Globus wohl im neuen Jahr gehen mag. Dieses Mal kreisen sicher viele Betrachtungen um die Frage, ob der Aktienbörsenzug nach dem erstklassigen Jahr 2021 weiter gen Norden unterwegs sein kann. Wird Corona die Wirtschaft noch einmal hart ausbremsen? Bleiben die außergewöhnlich hohen Inflationsraten Dauergast an den Märkten? Und wie agieren die großen Notenbanken in diesem Umfeld? All das sind Fragen, die viele Privatanleger zu Jahresbeginn umtreiben und die dementsprechend Teil vieler Vorausschauen sind. Hinzu kommen Ausblicke, die thematisieren, wo denn wohl DAX, Dollar & Co. am Jahresende konkret stehen werden - und welche Branchen oder einzelnen Aktien dabei die Nase vorn haben sollten.

Das Problem dabei ist, dass viele dieser Einschätzungen dazu führen, dass auf ihrer Basis Anlageentscheidungen getroffen werden. Jahrzehntelange Kapitalmarktforschung zeigt dagegen eindeutig, dass genau dies keine gute Idee ist. Sich bei Anlageentscheidungen auf unsichere Prognosen - und das sind sie letztlich ausnahmslos - zu verlassen, wird früher oder später zu schmerzhaften Fehlentscheidungen führen und die Börsenreise geht dann ins Nirgendwo.

Trotz alledem möchten auch wir heute die aktuellen Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten näher beleuchten und Sie darüber informieren, was aus unserer Sicht die Märkte kurz- bis mittelfristig bewegen wird. Wir möchten Sie damit auf die diesjährige Börsenreise einstimmen und eben genau vor jenen überstürzten Anlageentscheidungen schützen, die viele herkömmliche Ausblicke schüren.

Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung unserer Kapitalbeurteilung.

Wenn Sie tiefergehende Analysen zu den einzelnen Anlageklassen oder auch zu den Konjunktur- und Inflationsperspektiven wünschen, freuen wir uns, wenn Sie auf unsere ausführlicheren Erläuterungen zurückgreifen.

Auch wenn hierbei einzelne Marktsegmente ausdrücklich positiv besprochen werden, warnen wir davor, diesen in Ihrem Vermögen ein zu großes Gewicht zu verleihen, denn damit verlassen Sie den Weg der strategischen Investition und bewegen sich in den Bereich der Spekulation. Und wie formulierte es schon Mark Twain ganz in unserem Sinne:

"Für Börsenspekulationen ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Oktober."

Aktien:

Es wäre sicherlich vermessen, für 2022 eine Wiederholung der herausragenden Performance des Aktienjahrs 2021 zu erwarten. Dennoch überwiegt auch im neuen Jahr die Zuversicht, dass ein breit gestreutes Aktienengagement am Jahresende nochmals Pluszeichen aufweisen wird. Das globale Wirtschaftswachstum dürfte sich zwar in diesem Jahr abschwächen, zumal zumindest in den ersten Monaten des Jahres die Lieferkettenproblematik noch anhalten sollte. Dennoch gehen wir von überdurchschnittlichen Wachstumsraten aus, was die Aktienmärkte unterfüttern wird.

Taktgeber bleibt natürlich vorerst Corona mit all seinen anhaltenden Unsicherheiten. Die globale Forschungsdynamik gibt jedoch Anlass zur Hoffnung, dass das Virus letztlich nachhaltig zurückgedrängt werden kann und dass das Ganze in dem häufig zitierten endemischen Zustand mündet - zum Wohle von Mensch, Wohlstand und Wirtschaft.

Das Interesse an Aktien dürfte auch allein deshalb grundsätzlich hoch bleiben, weil es weiterhin so gut wie keine ausreichend liquiden Anlagealternativen gibt. Die zunehmende Erkenntnis, dass Zinsanlagen (vor allem klassische Spar- und Termineinlagen) nach Abzug der Inflationsrate zu erheblichen Kaufkraftverlusten führen, überzeugt immer mehr Anleger - nicht nur private, sondern auch kapitalkräftige Vorsorgewerke und Pensionskassen -, den Fokus verstärkt in Richtung Aktienanlagen zu rücken.

Anleihen:

Das Umfeld für Anleihen wird auch 2022 wahrscheinlich nicht rosig sein. Dafür sorgen der geplante Ausstieg der Notenbanken aus der ultralockeren Geldpolitik sowie die nach dem Wegfall von Sonderfaktoren zwar sinkenden, aber (vorerst) immer noch vergleichsweise hohen Inflationsraten.

Wenn allerdings zunehmende Sorgen rund um die Omikron-Virusvariante (oder gar neu hinzutretende Varianten) zu einer erhöhten Risikoaversion der Investoren führen, dürften sich Anleihen als "sichere Häfen" wieder steigender Beliebtheit erfreuen.

Insgesamt bleibt ein breit diversifiziertes Anleihe-Portfolio ein unverzichtbarer Bestandteil im Kontext einer ausgewogenen Vermögensaufteilung - bildet es doch einen "Stabilitätsanker" gegenüber den deutlich schwankungsfreudigeren Aktien.

Gold:

Nach einem Verlustjahr (in Dollar gerechnet) gehen wir im neuen Jahr von wieder steigenden Goldnotierungen aus, wobei wir das Aufwärtspotenzial für begrenzt halten. Andere risikobehaftete Anlagen, wie Aktien, finden nach wie vor ein relativ freundliches Marktumfeld vor, allen Unsicherheiten zum Trotz. Nicht vergessen sollte man auch, dass zunehmend auch Kryptowährungen als alternative Krisenanlage angesehen werden - unabhängig davon, für wie sinnvoll man dies angesichts ihres extrem spekulativen Charakters auch halten mag.

Abschreiben sollte man Goldinvestments aber nicht. Vor dem Hintergrund des aus unserer Sicht begrenzten Abwärtsrisikos und der anhaltenden Belastungsfaktoren in Wirtschaft und Politik ist gegen eine überschaubare Beimischung des gelben Edelmetalls nach wie vor nichts einzuwenden.

Sonstige Rohstoffe:

Die Wertentwicklung vieler Rohstoffe im Jahr 2021 war beachtlich. Diese starken Preisanstiege begrenzen aber unserer Meinung nach die Chancen im Jahr 2022. Im Rahmen von Entspannungen auf der Angebotsseite (Auflösung von Lieferketten- und Kapazitätsproblemen) rechnen wir mit einer Seitwärtsbewegung des breiten Rohstoffmarktes - dies unter hohen Schwankungen, weil die Märkte mittlerweile nicht nur weiter von Corona, sondern auch verstärkt durch kritische politische Entwicklungen (z. B. in der Ukraine und in Kasachstan) geprägt sind.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank

So weit unsere zusammenfassenden Ausführungen - wir freuen uns, wenn Sie auch in unsere tiefergehenden Analysen einsteigen, und wünschen Ihnen dabei eine spannende und erkenntnisreiche Lektüre!

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quirin Privatbank AG published this content on 14 January 2022 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 14 January 2022 12:01:03 UTC.