Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Designer-Modemarken leben noch immer in einem goldenen Zeitalter. Auch wenn die Anleger zu schnell in Frage gestellt haben, wie lange das so weitergehen kann, ertönen in der Branche bei Weitem keine Warnsignale. Die Aktien von LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton kletterten um 1,4 Prozent, da die 72 Marken des Luxuskonzerns, zu denen auch Tiffany & Co. und Christian Dior gehören, ein weiteres erfolgreiches Quartal verzeichnet haben. In den drei Monaten bis September schnellte der Umsatz von LVMH um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr empor, wenn man die Auswirkungen der Wechselkurse ausklammert. Analysten hatten mit einem Anstieg von 14,5 Prozent gerechnet.

Bislang verspürt das Unternehmen bei seinen wichtigsten Kunden, den wohlhabenden US-Amerikanern und Chinesen, kaum Grund zur Sorge. Das Geschäft in China stagnierte im dritten Quartal aber, da sich die Kundenfrequenz in den Läden immer noch von der jüngsten Runde der Covid-19-Restriktionen erholt. Die einzige Veränderung, die LVMH festgestellt hat, ist ein geändertes Verbraucherverhalten. Jetzt kauft die gutbetuchte Kundschaft eher Gold- als Silberschmuck, vielleicht da sie das gelbe Metall angesichts der Inflation als besseres Wertaufbewahrungsmittel ansieht. Dies wirkt sich auf das große Silbergeschäft von Tiffany & Co. in den USA aus.


   Reiche US-Bürger greifen weiterhin gerne bei Luxuswaren zu 

Aber die US-Bürger geben immer noch viel Geld aus, vor allem für ihren Urlaub. Die Stärke des US-Dollar macht es attraktiver, in Europa Geld auszugeben. Vor der Pandemie waren Luxusgüter in US-Boutiquen 13 Prozent teurer als die gleichen Produkte in Paris oder Mailand. Laut einer Analyse von UBS hatte sich dieser Aufschlag bis zum Sommer auf 26 Prozent verdoppelt. LVMH hat vorerst ausgeschlossen, die Preise in europäischen Städten zu erhöhen, um die Lücke zu schließen. Es soll wohl die Nachfrage kaufkraftschwächerer lokaler Kunden nicht beeinträchtigt werden.

Wohlhabende US-Amerikaner schalten noch lange nicht auf einen Sparmodus um. Im dritten Quartal kauften US-Kunden mit einem Jahreseinkommen von mehr als 125.000 Dollar vielmehr 10 Prozent mehr als zur gleichen Zeit des Vorjahres, wie aus Kreditkartendaten der Bank of America hervorgeht. Im Vergleich dazu gingen die Ausgaben für Luxusgüter bei Verbrauchern mit einem Einkommen von weniger als 50.000 Dollar um 13 Prozent zurück.

Die Aktionäre hatten das ganze Jahr über bisher eine schlechte Meinung von Luxusaktien. Börsennotierte europäische Marken haben seit Januar im Durchschnitt mehr als 20 Prozent ihres Wertes verloren. LVMH-Aktien werden derzeit mit dem 20-fachen des prognostizierten Gewinns bewertet und liegen damit unter dem 22-fachen des Zehn-Jahres-Durchschnitts, obwohl der Einkaufsboom, der während der Pandemie einsetzte, noch bis weit ins Jahr 2022 anhält. Für das Management von LVMH kommt die Diskrepanz zwischen den starken Luxusverkäufen und den düsteren Schlagzeilen in den Medien im Moment nach eigenen Angaben nicht überraschend. Finanzvorstand Jean Jacques Guiony wies darauf hin, dass eine "angekündigte Rezession bisher nicht eingetreten ist" und die Ausgaben für Luxusgüter eher von Immobilienpreisen beeinflusst werden als von einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums.


   Peking springt diesmal vielleicht nicht in die Bresche 

Designermarken haben sich vom letzten großen Abschwung schnell erholt. Im Jahr 2009 brachen die weltweiten Luxusverkäufe um 8 Prozent ein, erholten sich aber bis 2010 vollständig, wie Daten von Bain zeigen. Aber der Aufstieg Chinas hatte viel mit diesem Aufschwung zu tun, der durch die Art von üppigen fiskalischen Anreizen unterstützt wurde, die sich möglicherweise nicht wiederholen werden. Heute ist vieles anders. Wenn Luxusaktien billig aussehen, liegt das daran, dass ihre vorerst letzte Bewährungsprobe gerade erst begonnen hat.

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October 12, 2022 09:46 ET (13:46 GMT)