Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Eigentlich müsste in einer Welt mit hoher Inflation, mit Krieg und Bank-Runs die Nachfrage nach Luxus einen deutlichen Dämpfer erhalten. Und so scheint es kontraintuitiv, dass die Nachfrage nach Luxus momentan immer noch heiß läuft. Doch in den vergangenen Tagen meldeten zwei große Designermarken Rekordumsätze fürs erste Quartal.

Das in Paris börsennotierte Unternehmen Hermès gab bekannt, dass sein Umsatz in den drei Monaten bis März um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist und damit die Erwartungen der Analysten von 13 Prozent deutlich übertroffen hat. Bei LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton - im Besitz von Bernard Arnault, des reichsten Menschen der Welt - verbesserte sich der Umsatz im gleichen Zeitraum um 17 Prozent. Auch dies lag weit über den Prognosen der Analysten. Schon vor diesen Ergebnissen spürten die europäischen Luxusaktien deutlichen Aufwind und legten in diesem Jahr im Durchschnitt um 23 Prozent zu, während der MSCI Europe Index nur um 14 kletterte.

Viele Aktionäre sehen in den europäischen Luxusmarken eine gute Möglichkeit, sich bei den wohlhabenden chinesischen Verbrauchern zu engagieren, die nach fast drei Jahren der Pandemie wieder einkaufen wollen. LVMH teilte mit, dass die Verkäufe von Modemarken wie Louis Vuitton, Christian Dior und Celine in China im ersten Quartal um mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr nach oben geschnellt waren. Die chinesischen Verbraucher haben Bargeld gehortet, was dazu beitragen könnte, den Umsatz für den Rest des Jahres anzukurbeln. Nach Schätzungen der Bank of America erhöhten sich die Einlagen der privaten Haushalte in China im Jahr 2022 um 7,9 Billionen Yuan, was beim heutigen Wechselkurs knapp 1,05 Billionen Euro entspricht. Das sind viel mehr als die jährlichen Durchschnittswerte von etwa 2 Billionen Yuan. Die sehr wohlhabenden Verbraucher stützen jetzt die Luxusgüterindustrie, während es auf der unteren Einkommensleiter Anzeichen von Schwäche gibt. Laut einer Analyse von Bernstein dürften die Menschen, die 2019 bis zu 1.000 Euro für Designerwaren ausgaben, ihr Budget 2022 um die Hälfte gekürzt haben. Die Ausgaben der oberen Einkommensschichten hingegen boomen. Ein wohlhabender Käufer, der 2019 rund 50.000 Euro in Designerläden in die Hände nahm, gab 2022 rund 135.000 Euro aus.


  Luxusbranche zeigt sich in Rezessionen traditionell stark 

Die Luxusbranche hat sich in früheren Konjunkturabschwüngen als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Während der globalen Finanzkrise verzeichnete die Branche zwei Quartale lang Umsatzrückgänge, bevor sie wieder zu wachsen begann, während das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) vier Quartale lang schrumpfte. Doch die aktuellen Trends weichen von den langfristigen Durchschnittswerten ab und sind möglicherweise nicht nachhaltig. In dem Jahrzehnt vor der Pandemie wuchs der Luxussektor in der Regel doppelt so schnell wie das weltweite BIP. In diesem Jahr erwarten optimistische Analysten, dass die Umsätze der Luxusbranche um 8 Prozent bis 10 Prozent wachsen, während der Internationale Währungsfonds (IWF) ein globales Wachstum von 2,8 Prozent prognostiziert. Andere Segmente, in denen während der Pandemie eine ungewöhnlich starke Nachfrage herrschte, wie zum Beispiel nach Mietwohnungen in den USA, beginnen sich zu entspannen.

Für Luxusmarken wird es schwieriger sein, die Umsätze mit weiteren Preiserhöhungen zu steigern, nachdem die Hersteller in den Jahren 2021 und 2022 aggressive Preiserhöhungen vorgenommen haben. Und auch die ungewöhnlich großzügigen Werbebudgets - europäische Luxusgüterunternehmen gaben 2022 etwa 33 Prozent mehr fürs Marketing aus als im Vorjahr - werden möglicherweise nicht von Dauer sein. Die Nachfrage nach den einzelnen Marken wird wahrscheinlich uneinheitlicher ausfallen, so dass die Anleger wählerisch sein sollten. Laut einer Analyse der Bank of America haben im vergangenen Jahr drei Unternehmen - LVMH, Hermès und Richemont - 75 Prozent des zusätzlichen Umsatzes der Branche erzielt. Wenn die Konkurrenten, darunter Burberry und der Gucci-Eigentümer Kering, in den nächsten Wochen ihre Ergebnisse vorlegen, wird deutlicher werden, wer Marktanteile gewinnt oder verliert. Luxus glänzt immer noch in einer aufgewühlten Welt, aber vielleicht bleibt in der Zukunft eine kleinere Auswahl von Marken.

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April 17, 2023 03:12 ET (07:12 GMT)