- von Alexander Hübner und Christian Kraemer

München/Berlin (Reuters) - Einer der größten Profiteure der von der Bundesregierung ausgerufenen Energiewende wird in die USA verkauft: Der hessische Heizungs- und Klimatechnik-Hersteller Viessmann Climate Solutions geht für zwölf Milliarden Euro an den US-Konkurrenten Carrier Global.

Die Gründerfamilie Viessmann trennt sich damit vom Kerngeschäft ihres 106 Jahre alten Unternehmens, dem eine Schlüsselrolle bei der geforderten Umstellung auf Wärmepumpen zum Beheizen von Wohnungen zukommt. Carrier soll das Geld aufbringen, das Viessmann für den Ausbau der Produktion braucht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wertete den Verkauf am Mittwoch grundsätzlich als "gute Nachricht", die Opposition warnte vor einem "Ausverkauf" deutscher Technologie.

Mit dem Zusammenschluss entstehe ein "zukunftssicherer globaler Klima-Champion", sagte Viessmann-Chef Max Viessmann am Firmensitz in Allendorf an der Eder. "Wir können die weltweite Energiewende nur dann erfolgreich meistern, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten." Künftig komme es in der Branche mehr denn je auf Größe an, sagte Viessmann dem "Handelsblatt".

Carrier-Chef David Gitlin sprach von einer einmaligen Gelegenheit: "Viessmann passt wie ein Handschuh." Er habe sich im vergangenen Jahr an die 15 Mal mit Max Viessmann getroffen, um die Übernahme zu besprechen. Carrier, bis 2020 ein Teil des Mischkonzerns United Technologies, will so vor allem in Europa stärker werden und sich auf die Klimatechnik konzentrieren. Die Brandschutz- und die Kühlschrank-Sparte des Unternehmens - zusammen so groß wie Viessmann, aber weniger profitabel - sollen verkauft werden. Bisher kommen rund 60 Prozent der Umsätze aus Nord- und Südamerika, nur knapp ein Viertel aus Europa. Für Viessmann will sich Carrier mit sieben Milliarden Euro verschulden.

HABECK: WÄRMEPUMPEN WERDEN DURCH VERKAUF GÜNSTIGER

Politiker pochten darauf, dass Viessmann und Deutschland von dem Verkauf profitieren müssten. Das Unternehmen könne damit die Wärmepumpen-Produktion steigern, sagte Scholz' Sprecher Steffen Hebestreit. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will von 2024 an den Umstieg von Gas- und Öl-Heizungen für Wohnungen auf klimafreundlichere Heizungen forcieren und favorisiert dabei Wärmepumpen. Sie würden günstiger, wenn Viessmann mehr davon produzieren könne, sagte er in Berlin. "Um konkurrenzfähig zu bleiben, hat Viessmann einen finanzstarken Partner gesucht." Sein Ministerium werde aber prüfen, ob die Übernahme den deutschen Markt stärke. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, sagte zu Reuters: "Zu einem Ausverkauf unserer Vorzeigefirmen und zu einer Deindustrialisierung Deutschlands darf es nicht kommen." Habeck dürfe sich nicht nur als Klimaschutzminister verstehen.

Der Wettbewerbsökonom Jens Südekum sieht keinen Grund, den Verkauf zu blockieren. Der deutsche Wärmepumpenmarkt gehöre zu den Märkten mit großem Wachstumspotenzial und sei deshalb bei ausländischen Käufern gesucht. "Die Zahl der installierten Geräte wird sich in den kommenden Jahren mindestens verdoppeln", sagte der Bonner Professor, der auch im wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums sitzt. Die Arbeitsplätze in Hessen dürften dadurch eher mehr werden. Carrier Global rechnet sogar damit, dass sich der Wärmepumpen-Markt in Europa bis 2027 auf 15 Milliarden Euro verdreifacht.

Viessmann Climate Solutions ist neben Bosch (Buderus) und Vaillant einer der größten Heizungs-Hersteller in Deutschland. Die Sparte steht für 85 Prozent des Konzernumsatzes. Sie erwartet 2023 vier Milliarden Euro Umsatz und einen operativen Gewinn (Ebitda) von rund 700 Millionen. Vom Verkauf betroffen sind 11.000 der 15.000 Viessmann-Mitarbeiter, denen die Transaktion mit einem Bonus von insgesamt 106 Millionen Euro versüßt werden soll. Die Amerikaner geben langfristige Garantien: Betriebsbedingte Kündigungen sind für drei Jahre ausgeschlossen, Allendorf bleibt für mindestens zehn Jahre Unternehmenssitz, und die wichtigsten Standorte sind für fünf Jahre sicher.

Die Firma war vor 106 Jahren vom Schlosser Johann Viessmann gegründet worden. Das Kühltechnik-Geschäft für Supermärkte oder Krankenhäuser bleibt in den Händen der Familie. Sie hat sich Technologie zur CO2-Vermeidung, -Reduzierung und -Speicherung auf die Fahnen geschrieben, um den Klimawandel zu bremsen, und will mit dem Verkaufserlös massiv in das verbleibende Geschäft investieren. Die Viessmanns erhalten 9,6 Milliarden Euro in bar und werden mit 58,6 Millionen Aktien einer der größten Aktionäre von Carrier. "Glauben Sie mir, es hätte finanziell noch attraktivere Alternativen gegeben. Aber darum ging es uns nicht", sagte Max Viessmann der Zeitung. Seinem Vater Martin und ihm sei es vor allem wichtig, die Zukunft des Geschäfts und der Arbeitsplätze langfristig zu sichern.

(Bericht von Alexander Hübner; Mitarbeit: Christian Krämer, Rene Wagner und Andreas Rinke; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)