Von Mark Maurer Follow, Nina Trentmann und Kristin Broughton

NEW YORK (Dow Jones)--Unternehmen, die bisher auf Hedging-Instrumente bei den Energiepreisen gesetzt haben, sind von den steigenden Gas-, Öl- und Stromkosten abgeschirmt. Dieser Schutz wird jedoch schwinden, wenn die Absicherungen auslaufen und die Kosten fürs neue Hedging mit den heutigen höheren Energiepreisen gleichziehen. Unternehmen kaufen in der Regel Terminkontrakte wie Swaps und Optionen, um sich gegen Schwankungen bei Währungen, Zinssätzen und Rohstoffen abzusichern. Viele Unternehmen haben Jahresprogramme, in denen sie den Umfang ihrer Absicherungen festlegen und viertel- oder halbjährlich entscheiden, ob sie diese je nach Entwicklung der Märkte aufstocken oder reduzieren.

Diese Absicherungen erweisen sich im heutigen Umfeld als hilfreich. Unternehmen wie Associated British Foods, Evonik und das Rechenzentrumsunternehmen Equinix schalten derzeit nach eigenen Angaben einen Teil der finanziellen Risiken im Zusammenhang mit steigenden Energiepreisen aus. Aber die Preise sind jetzt vielfach zu hoch, um neue Absicherungen vorzunehmen, wie Unternehmen und Berater klagen. "Die meisten Unternehmen scheinen zu sagen: 'Warten wir, bis sich die Lage etwas beruhigt hat, bevor wir irgendwelche Prognosen oder Entscheidungen treffen'", so Partner Amol Dhargalkar von Chatham.


   Energiemärkte sind außer Rand und Band 

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Ende Februar sind die Energiepreise weltweit in die Höhe geschnellt. Terminkontrakte für Rohöl der Sorte Brent, der weltweiten Öl-Benchmark, wurden zuletzt mit 112,12 US-Dollar pro Barrel gehandelt und lagen damit 62 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Auch die Benzinpreise haben zugelegt, da die Händler das aus Russland stammende Öl meiden. Nach Angaben des Automobilverbands AAA kostete Normalbenzin in den USA zuletzt 53 Prozent mehr als vor einem Jahr. In Europa sehen sich die Unternehmen mit einem noch stärkeren Anstieg konfrontiert. Allein schon der European-Gas-Spot-Index, ein Maß für die Erdgaspreise, hat sich zuletzt gegenüber dem Vorjahr mehr als versiebenfacht, so der Finanzdatenanbieter Factset.

Associated British Foods, der Eigentümer der Modekette Primark, hat seinen gesamten Energiebedarf abgesichert, so Finanzvorstand John Bason. "Es wird noch einige Monate dauern, bis wir die Auswirkungen der gestiegenen Erdgaspreise zu spüren bekommen", räsoniert Bason. Das Unternehmen, das auch Zuckerraffinerien und Anlagen zur Herstellung von Lebensmitteln betreibt, hat Verträge zur Absicherung abgeschlossen, die von wenigen bis zu mehreren Monaten reichen. "Wir sehen einen gewissen Nutzen, aber er ist vorübergehend." Das Unternehmen lehnte es ab, sich dazu zu äußern, wie viel es für den Energieeinkauf ausgibt.


   Evonik will vielleicht Kohlekraftwerk länger laufen lassen 

Evonik ist auch von einigen der Auswirkungen der höheren Energiepreise abgeschirmt. "Deshalb sind wir von den rasanten Steigerungen an den Spotmärkten bisher weniger betroffen", erläutert Manager Andreas Steidle. Er fügt hinzu, dass das Unternehmen im vergangenen Jahr beschlossen habe, seine Absicherungsquoten zu erhöhen. Das Unternehmen erwägt auch, ein Kohlekraftwerk, das es Ende 2022 einmotten wollte, länger zu betreiben. Der durchschnittliche Preis, zu dem Unternehmen Energieabsicherungen abschließen, ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Zuletzt legten die Unternehmen die Preise für US-Diesel zu einem Futures-Durchschnittspreis für zwölf Monate fest, der einem Anstieg von 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dies ergab eine Auswertung der Futures-Daten der New York Mercantile Exchange durch die Beratungsfirma Chatham Financial.

Der Preis, den die Unternehmen für europäische Erdgas-Absicherungen auf zwölf Monate hinaus vereinbarten, katapultierte sich im Vergleich zum Vorjahr um mehr als das Fünffache nach oben und lag zuletzt bei 100,06 Euro pro Megawattstunde, so Chatham. Unternehmen mit hohem Energiebedarf, wie Autoteile- und Lebensmittelhersteller, sichern sich oft ein bis zwei Jahre im Voraus ab, während sich Energieerzeuger drei bis fünf Jahre im Voraus schützen, so Ryan Moffett von Wells Fargo. Dies können auch Kreditvereinbarungen erfordern, wobei einige reservebasierte Kredite für Öl- und Gasunternehmen eine fünfjährige Laufzeit mit Absicherungsanforderungen von mindestens drei Jahren haben.


   Angst vor einem Overhedging 

Equinix geht davon aus, dass seine Absicherungen in den nächsten Jahren "die Volatilität", die sich aus den höheren Energiepreisen ergibt, wirklich dämpfen werden, so CEO Charles Meyers vergangene Woche. Das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien betreibt Rechenzentren in Europa und im Nahen Osten, jedoch keine in Russland oder der Ukraine. Equinix hat seinen Energiebedarf für Rechenzentren in der EMEA-Region für 2022 fast vollständig und für das nächste Jahr und 2024 teilweise abgesichert, so ein Sprecher. Unternehmen schließen nur selten ihr gesamtes Engagement ab, um ein Overhedging zu vermeiden, was für Investoren ein Zeichen für mangelnde Disziplin bei der Finanzprognose sein könnte, so Dhargalkar. Das bedeutet, dass sie in gewissem Maße von höheren Kosten betroffen sein werden, aber auch mehr Sicherheit in Bezug auf ihre Kosten haben werden als Firmen, die überhaupt nicht abgesichert sind. Summit Materials, ein Anbieter von Baumaterialien, hat derweil 2021 sein Hedging-Programm wegen der höheren Inflation auf Kohle und Erdgas ausgeweitet, die das Unternehmen als Brennstoff für einige seiner Aktivitäten verwendet, so Finanzvorstand Brian Harris. Das Unternehmen erwäge weitere Änderungen als Reaktion auf die aktuelle Krise.

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March 15, 2022 05:19 ET (09:19 GMT)