Sibylle Steimen, Managing Director Advisory & Services bei Allianz Re, leitet ein Team von über 40 Wissenschaftlern im Bereich Katastrophenmanagement. Sie promovierte in Seismologie am Schweizerischen Seismologischen Institut. Wir sprachen mit ihr über die jüngsten Überschwemmungen in Süddeutschland.

Liebe Frau Steimen, es scheint, dass solche Überschwemmungen immer häufiger auftreten und immer größere Schäden verursachen. Wie kommt das, und inwieweit haben die Risikomodelle der Versicherungsindustrie dies antizipiert?

Schwere Überschwemmungen gab es auch in der Vergangenheit, allerdings sind tatsächlich die Schäden aus solchen Naturkatastrophen in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt gestiegen. Das hat verschiedene Gründe: Zunächst leben heute mehr Menschen auch in gefährdeten Gebieten und es gibt generell mehr Sachwerte, die potentiell gefährdet sind. Dazu sind viele Flüsse begradigt worden, so ist der Rhein heute etwa 100km kürzer als vor 200 Jahren, und es gibt weniger Flutausgleichsflächen und mehr versiegelten Boden. Auch der Klimawandel trägt zu einem erhöhten Überschwemmungsrisiko bei, da Starkniederschläge potenziell häufiger und stärker werden. Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die entsprechend auch stärkere Niederschläge verursachen kann. Zurzeit ist z.B. das Mittelmeer rund 2 Grad wärmer als im langjährigen Schnitt, dies kann Ereignisse wie das jetzige entsprechend verstärken. Dazu kommt in den letzten Jahren auch die mediale Präsenz solcher Ereignisse, die uns die Auswirkungen solcher Ereignisse noch deutlicher vor Augen führt.

In der Risikomodellierung werden relevante Entwicklungen berücksichtigt und unsere Modelle und damit auch Tarife regelmäßig angepasst.

Wie kann die Versicherungswirtschaft darauf reagieren?

Zunächst sind wir dafür da, unseren Kunden gerade für solche existentiellen Bedrohungen einen Versicherungsschutz anzubieten. In den allermeisten Fällen können wir das dank risikoadäquater Tarife und eines ausgezeichneten Naturkatastrophen-Risikomanagements auch leisten - und werden das auch weiterhin können. Wichtig ist hierbei allerdings, dass der Versicherungsschutz nur eine von mehreren Maßnahmen ist. Den größten Beitrag im Risikomanagement leistet die richtige Vorsorge, vor allem wo und wie gebaut wird. Daneben sind Hochwasserschutzmaßnahmen wie Überflutungsflächen und Dämme am wirksamsten. Außerdem ist ein gut ausgerüsteter und organisierter Katastrophenschutz äußerst wichtig, wie gerade dieser Tage wieder deutlich wird. Für das Risiko, das nach all den genannten Maßnahmen noch bleibt, ist eine Versicherung wie die Allianz da. Und dieses Risiko wird mit detaillierten Gefahrenkarten und Modellen berechnet.

Wie kann Allianz präventive Maßnahmen unterstützen?

Es ist wichtig, mit unseren Kunden beim Hochwasserschutz zusammenzuarbeiten, um sie bei der Vorbereitung auf Extremereignisse zu unterstützen, und ihnenzu zeigen, wie sie im Ereignisfall reagieren sollen. Daher haben wir im Rahmen der Group Market Management Customer Experience Initiative das Global Risk Assessment Tool (GloRiA) entwickelt, das auf globalen Risikokarten basiert und es dem Kunden ermöglicht, seine Gefährdung durch Naturgefahren einzuschätzen. GloRiA wird von aussagekräftigen Checklisten für Privatkunden begleitet, um die Risikovorsorge zu verbessern und Verluste durch Stürme, Überschwemmungen, Erdbeben und Brände zu minimieren.

Welche Maßnahmen sind erforderlich bezüglich der Erfassung und Modellierung von "secondary perils"?

Angesichts des steigenden Schadenpotenzials durch den Klimawandel ist es immer wichtiger, eine risikogerechte Preisgestaltung sicherzustellen. Für die Risikoprüfung, Preisgestaltung und Risikobewertung verwendet die Allianz eine Kombination aus mehreren, sehr detaillierten Gefahrenkarten und Modellen mit hoher Auflösung (bis zu 5 m), die aus öffentlichen Quellen stammen oder von Drittanbietern und intern entwickelt wurden. Bei der Bewertung werden auch Details zu den versicherten Objekten berücksichtigt (z. B. Versicherungswert, Gebäudeeigenschaften, wie das Vorhandensein eines Kellers usw.).

Sogenannte "secondary perils", also z.B. Flut, Hagel oder Waldbrände treten in der Regel häufiger auf, verursachen im Schnitt aber weniger hohe Kumulschäden als z.B. Wirbelstürme in den USA. Auch wenn unsicher bleibt, wie hoch der Einfluss des Klimawandels wirklich ist erwartet die Allianz insbesondere für Flut und Waldbrände einen Anstieg von Ereignissen und Schäden. Allianz hat daher schon früh in Modelle für diese Gefahren investiert und setzt z.B. über 20 Flutmodelle ein. Fünf der Top 10 modellierten Szenarien der Allianz sind solche "secondary perils" (Hagel Australien und Deutschland, und Flut Australien, Deutschland und UK).

Die Allianz arbeitet deswegen auch mit wissenschaftlichen Partnern wie z.B. dem Karlsruher Institut für Technologie zusammen, um den Einfluss des Klimawandels auf diese Gefahren besser einzuschätzen und entsprechend die Risikomodelle ständig zu verbessen.

Weitere Informatonen

The Allianz Group is one of the world's leading insurers and asset managers with around 125 million* private and corporate customers in nearly 70 countries. Allianz customers benefit from a broad range of personal and corporate insurance services, ranging from property, life and health insurance to assistance services to credit insurance and global business insurance. Allianz is one of the world's largest investors, managing around 746 billion euros** on behalf of its insurance customers. Furthermore, our asset managers PIMCO and Allianz Global Investors manage about 1.8 trillion euros** of third-party assets. Thanks to our systematic integration of ecological and social criteria in our business processes and investment decisions, we are among the leaders in the insurance industry in the Dow Jones Sustainability Index. In 2023, over 157,000 employees achieved total business volume of 161.7 billion euros and an operating profit of 14.7 billion euros for the group.

* Including non-consolidated entities with Allianz customers.
** As of March 31, 2024.



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