Die typische Sommerabschwächung an den US-Aktienmärkten könnte in diesem Jahr ausgeprägter ausfallen. Inflationsängste und eine vorgezogene Präsidentschaftsdebatte könnten die Rallye, die den S&P 500 in den letzten Monaten in die Nähe von Rekordhöhen getrieben hat, belasten.

Der S&P 500 ist in diesem Jahr um fast 12% gestiegen, da die Gewinne stark gestiegen sind und es Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation so weit zurückgeht, dass die Federal Reserve die Leitzinsen senken könnte.

Der Sommer ist historisch gesehen die ruhigste Jahreszeit für US-Aktien. Laut Daten von CFRA Research, die bis ins Jahr 1945 zurückreichen, ist der S&P 500 in 56% der Fälle zwischen Juni und August gestiegen. Händler, die in den Ferien sind, und Anleger, die auf die Herbstgewinne der Unternehmen warten, bevor sie sich für das nächste Jahr festlegen, werden oft als Gründe für die Sommerflaute genannt.

Dieser Sommer bringt jedoch zusätzlichen Gegenwind mit sich, da die anhaltende Unsicherheit über den Zeitpunkt der Zinssenkungen und die Unwägbarkeiten der US-Präsidentschaftswahlen für eine gewisse Unruhe sorgen dürften.

"Die Märkte sind derzeit ziemlich hoch bewertet, und bis Juli muss alles richtig laufen, damit die Fed die Zinsen senkt", sagte Sameer Samana, Senior Global Market Strategist beim Wells Fargo Investment Institute.

"Wir sehen nicht viele potenzielle Katalysatoren für weitere Kursgewinne, so dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die saisonale Verlangsamung, die wir normalerweise sehen, in diesem Jahr beschleunigt wird."

Die Inflationsdaten werden für den Rest des Jahres die wichtigste Triebfeder für den Markt sein und die Entwicklung der Renditen von Staatsanleihen und deren relative Attraktivität im Vergleich zu Aktien bestimmen.

Der S&P 500 wird derzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21,6 gehandelt, verglichen mit etwa 17,5 im Oktober, als die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen fast ein Zwei-Dekaden-Hoch erreichten.

Die unerwartet guten Inflationsdaten zu Beginn des Jahres dämpften die Erwartungen auf Zinssenkungen der Fed im Jahr 2024, was die Renditen auf breiter Front nach oben trieb. Dann wurde ein Rückgang der Preissteigerungsrate im April weithin als Grund für die Fed gesehen, die Zinsen zu senken. Der Markt rechnet nun mit einer Senkung um 35 Basispunkte bis Ende Dezember.

Aber ein weiterer guter Wert im Juni oder Juli könnte diese Hoffnungen zunichte machen. Der nächste Bericht über die persönlichen Konsumausgaben wird für Freitag erwartet, während der nächste Bericht über den Verbraucherpreisindex am 12. Juni erwartet wird.

"Die eigentliche Herausforderung wird auf der relativen Seite liegen. Wenn die Renditen in die Höhe schnellen und es so aussieht, als würde die Fed die Zinsen nicht senken, werden die Anleger in Anleihen und Bargeld investieren", sagte Ed Clissold, Chefstratege für die USA bei Ned Davis Research.

Gleichzeitig haben die globalen Fondsmanager laut BofA Global Research ihre höchste Aktienquote seit Januar 2022. "Wenn alle long sind, gibt es niemanden mehr, der kaufen kann", sagte Giuseppe Sette, Präsident des Marktforschungsunternehmens Toggle.

ENGES RENNEN

Das diesjährige Wahlrennen zwischen dem demokratischen Präsidenten Joe Biden und dem republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump ist eine weitere Unbekannte.

Der S&P 500 hat zwischen dem Memorial Day und dem Labor Day in 75 % der Fälle zugelegt, wenn ein Präsident der ersten Amtszeit zur Wiederwahl antritt, so Sam Stovall, Chefanlagestratege bei CFRA Research. Aber das diesjährige Rennen ist extrem knapp, da Biden in den nationalen Meinungsumfragen weitgehend mit Trump gleichauf liegt.

Die beiden haben sich auch auf eine Debatte am 27. Juni geeinigt. Dies wäre die früheste allgemeine Wahldebatte in einem Präsidentschaftswahlkampf und würde die Aufmerksamkeit der Anleger viel früher als üblich auf den möglichen Ausgang und die politischen Auswirkungen des Rennens lenken.

"Es sieht so aus, als ob es eine ziemlich knappe Präsidentschaftswahl werden wird. Es ist also durchaus möglich, dass es zu einer Art Rückzug kommt, wenn sich die Anleger an die Seitenlinie begeben", sagte Clissold. (Berichterstattung durch David Randall; Bearbeitung durch Michelle Price und Jonathan Oatis)