Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will auf seiner am Samstag beginnenden Reise nach Argentinien, Chile und Brasilien nach Angaben aus Regierungskreisen Gespräche über die Handelsbeziehungen und die internationale Ordnung angesichts des Ukraine-Kriegs in den Mittelpunkt rücken. "Uns geht es um die Diversifizierung unseres Handels insgesamt, und uns geht es dann auch gezielt um eine Diversifizierung unserer Bezugsquellen, wenn es um kritische Produkte geht, kritische Bezugsquellen und Energieträger", sagte ein hochrangiger Regierungsbeamter in Berlin. Da habe Lateinamerika Einiges zu bieten. "Das Potenzial im Bereich grüner Wasserstoff ist enorm, quasi unerschöpflich", betonte er.

Ein "perfekter Ansatzpunkt" sei auch eine in Brasilien geplante Reindustrialisierung Brasiliens. Hier würden große Chancen für die deutsche Wirtschaft in Sinne einer "grünen Industrialisierung" gesehen. Begleitet wird Scholz vor diesem Hintergrund laut den Angaben von einem guten Dutzend hochrangiger Wirtschaftsvertreter. "Ganz oben auf der Agenda" würden auch allgemein Möglichkeiten der Kooperation im Bereich des Klimaschutzes stehen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) halte sich zeitgleich in Brasilien auf und werde an den Beratungen teilnehmen. "Da wird es ganz gezielt um die Kooperation in diesem Bereich gehen."

Laut den Angaben will Scholz mit seinen Gesprächspartnern auch über Einordnungen zum Ukraine-Krieg sprechen. "Dem Bundeskanzler ist daran gelegen, mit seinen Gesprächspartnern auch einen Blick auf die internationale Ordnung zu werfen und auf den Stress, unter dem die internationale Ordnung steht", hieß es. Es werde sehr wichtig sein, über etwaige Differenzen über die Hintergründe des Krieges zu reden und Perspektiven zu vergleichen. Scholz will bei den Gesprächen laut den Angaben auch das Mercosur-Freihandelsabkommen thematisieren. Mit den Fortschritten dazu sei die Bundesregierung nicht zufrieden. Angestrebt werde aber, das Abkommen selbst nicht noch einmal aufzumachen.


   Unternehmen wenden sich vermehrt Lateinamerika zu 

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, betonte, Lateinamerika rücke aktuell wieder stark in den Fokus der deutschen Wirtschaft. "Die positive Entwicklung und das reichhaltige Potenzial dortiger Märkte bewirken, dass deutsche Unternehmen sich wieder vermehrt Lateinamerika zuwenden", erklärte Adrian, der nach Angaben des DIHK Teil der Wirtschaftsdelegation ist. Sowohl für die nachhaltige Gewinnung von Rohstoffen und Energie als auch für die Diversifikation von Lieferketten und Absatzmärkten seien Länder wie Brasilien, Chile und auch Argentinien "überaus prädestiniert".

Zudem verfügen die Länder über eine zum Teil erfolgversprechende industrielle Infrastruktur. "Die Reise in die Region kommt zur richtigen Zeit", konstatierte Adrian. Um allerdings mit Unternehmen anderer Länder in Lateinamerika wettbewerbsfähig zu bleiben, seien Kooperationsverträge unerlässlich. Die DIHK fordere deshalb, das bereits fertig verhandelte Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur "sollte endlich ratifiziert werden, genauso die Abkommen mit Mexiko und Chile".

Scholz startet seine Reise den Angaben zufolge am Samstagmorgen, die Stationen sind Buenos Aires, Santiago de Chile und Brasilia. Dort sei Scholz der erste ausländische Staatsgast, der Präsident Luiz Inacio Lula da Silva nach seiner erneuten Wahl in das Amt besuche. Lula sei "ein alter Bekannter und ein Freund Deutschlands". Die Ankunft wieder in Deutschland ist für Mittwochmorgen geplant.

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January 27, 2023 09:34 ET (14:34 GMT)