Rapsöl aus der Ukraine und Kartoffeln aus Übersee statt Vielfalt aus
der Region / Gemeinsame Pressemitteilung von IVA, UFOP und UNIKA
Berlin (ots) - Stärkere Importabhängigkeit, engere Fruchtfolgen und die 
Verlagerung der landwirtschaftlichen Produktion in andere Weltregionen - das 
könnten schon bald die unerwünschten Nebenwirkungen der restriktiven Regulierung
von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland und Europa sein. Während die 
Agrarpolitik - wie zuletzt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in 
ihrer Ackerbaustrategie 2035 - Ziele wie vielfältige Fruchtfolgen, Klimaschutz 
und Regionalität der Lebensmittel ausgibt, nimmt sie den Landwirten bei vielen 
Kulturen die pflanzenbaulichen Möglichkeiten, in Deutschland zu produzieren.

Durch den Wegfall relevanter Lösungen und Wirkstoffe im Pflanzenschutz tun sich 
bei Kartoffeln, Raps und Körnerleguminosen, Hopfen und vielen Gemüsesorten 
Behandlungslücken auf, die den Anbau für die Betriebe verlustreich machen. 
Darauf wiesen heute zur Eröffnung der Internationalen Grünen Woche (IGW) 2020 
der Industrieverband Agrar e. V. (IVA), die Union zur Förderung von Oel- und 
Proteinpflanzen e. V. (UFOP) und die Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e. 
V. (UNIKA) in einem gemeinsamen Pressegespräch in Berlin hin.

Die Verbände stützen sich auf das Ergebnis einer Analyse von etwa 50 000 
Datensätzen aus der Zulassungsliste des für Pflanzenschutzmittel zuständigen 
Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die der IVA 
ausgewertet hat. Zwar ist die Zahl der in Deutschland amtlich zugelassenen 
Mittel im Vorjahr auf 872 angestiegen, aber dahinter verbergen sich oft ähnliche
oder identische Mittel. Schaut man sich die zur Lebens- und 
Futtermittel-Herstellung zugelassenen Substanzen an, zeigt sich ein 
differenzierteres Bild. So stehen zum Beispiel zur Kontrolle von Schadinsekten 
künftig in allen angebauten Kulturen nur noch 18 verschiedene Wirkmechanismen 
zur Verfügung, die aber längst nicht in allen Anwendungen (Indikationen) 
zugelassen sind. Blattläuse, die Viren in Pflanzkartoffeln übertragen, können 
dann ebenso wenig nachhaltig bekämpft werden wie die Kleine Kohlfliege im Raps.

"Niemand kann ernsthaft wollen, dass die Kartoffeln auf unseren Wochenmärkten 
aus Nordafrika oder aus Übersee kommen und wir die Rapssaat oder das Rapsöl aus 
der Ukraine importieren", betonte IVA-Präsident Hudetz: "Regionalität passiert 
nicht von selbst. Wir müssen dafür sorgen, dass der Anbau wichtiger Kulturen
für
heimische Landwirte attraktiv bleibt."

Raps: Saatgutaufbereitung ins Ausland verlagert

Was das in der Praxis bedeutet, erläuterte Dietmar Brauer, stellvertretender 
Vorsitzender der UFOP: Vom Wegfall beziehungsweise dem Verbot relevanter 
Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe ist das gesamte in Deutschland eingesetzte 
Winterrapssaatgut betroffen. Bereits durch ein 2013 beschlossenes Verbot 
neonikotinoider Beizen ist die Kleine Kohlfliege nicht mehr bekämpfbar, und 
gegen den Rapserdfloh müssen zum Teil mehrfach Spritzungen erfolgen. Durch die 
eingeschränkte Wirkstoffauswahl machen sich Resistenzen breit. Ein alternativer 
insektizider Beizwirkstoff befindet sich seit Jahren in Deutschland im 
Zulassungsprozess, wobei die Rapszüchter bereits mehrfach erfolglos auf die 
Erteilung der Zulassung zur nächsten Saatgutsaison gewartet haben. Seit 2019 
steht auch kein Schutz gegen Auflaufkrankheiten mehr zur Verfügung, da für eine 
Beizung in Deutschland kein Mittel zugelassen ist. Bodenbürtige Erreger können 
lediglich mit einer Saatgutbeizung bekämpft werden.

Im Ergebnis entscheiden sich immer mehr Rapszüchter, ihr Saatgut außerhalb 
Deutschlands aufbereiten zu lassen, um den Landwirten in Form von importiertem 
Rapssaatgut dennoch eine möglichst hochwertige Beizausstattung zur Verfügung zu 
stellen. Dies verteuert die Saatgut-Logistik und verschlechtert damit die 
Wettbewerbsfähigkeit des Anbaus, während gleichzeitig moderne und zertifizierte 
Beizanlagen in Deutschland stillstehen.

"Die UFOP fordert daher von den Zulassungsbehörden, im Rahmen des 
Pflanzenschutzrechts der deutschen Landwirtschaft wirksame 
Pflanzenschutz-Lösungen zur Verfügung zu stellen, unter Einhaltung geltender 
Fristen für die Zulassung. Dabei darf es keinen Sonderweg in der nationalen 
Bewertung geben, der die Wettbewerbsfähigkeit des Anbaus in Deutschland in Frage
stellt."

Kartoffel: Anteil der Importware wird steigen

Auch für den heimischen Kartoffelanbau hat die schrumpfende Auswahl an Lösungen 
im Pflanzenschutz dramatische Folgen, wie Dr. Holger Hennies, Vizepräsident des 
Landvolks Niedersachsen, darstellte: Beginnend bei der Produktion des für den 
Kartoffelanbau erforderlichen Pflanzguts bedarf es zuverlässig wirksamer 
Pflanzenschutzverfahren, um überhaupt das Ausgangsmaterial für den Aufwuchs von 
Speisekartoffeln zu erhalten, das die staatlichen Prüfungen erfolgreich 
durchlaufen muss. Denn nur gesunde Pflanzkartoffeln liefern verwertbare 
Kartoffeln. Dies gilt auch für landwirtschaftliche Betriebe, die nach 
ökologischen Standards produzieren, auch hier stammt das Ausgangsmaterial aus 
einer konventionellen Pflanzgutproduktion.

Ähnlich wie Stechmücken bei der Übertragung von Malaria sind im Kartoffelanbau

Blattläuse Überträger von Pflanzenviren. Nach dem Wegfall bewährter
Wirkstoffe 
gibt es bei Kartoffeln keine ausreichende Mittelpalette mehr zur nachhaltigen 
Blattlausbekämpfung. Dieser Engpass steht auch der Vermeidung von Resistenzen 
der Schaderreger frontal entgegen. Denn nur über die zeitversetzte Kombination 
verschiedener Wirkmechanismen wäre ein fachlich gebotenes Resistenzmanagement 
möglich.

Lösungen sind nach dem Verbot verschiedener Insektizide im Freiland dringend 
notwendig, da eine Anti-Resistenzstrategie zur Bekämpfung von Blattläusen als 
Virusvektoren in der Pflanzkartoffel-Produktion kaum noch möglich sein wird. 
Diese Forderung fand auch Eingang in das Anti-Resistenzstrategie-Papier des 
Julius Kühn-Instituts für die Saison 2019. "Geändert hat dies jedoch leider 
wider besseres Wissen wenig", resümiert Hennies.

Die Konsequenz daraus ist eine folgenschwere Schwächung bereits zu Beginn der 
Wertschöpfungskette bei Kartoffeln: Fehlende Pflanzenschutzmittel führen nach 
Jahren mit einem höheren Läusedruck zu deutlichen Engpässen in der 
Pflanzgutversorgung. Mehr nicht zertifizierte Pflanzknollen kommen zum Einsatz. 
Qualität und Ertrag der Ernte leiden aber nicht nur darunter, sondern auch wegen
fehlender Pflanzenschutzverfahren in anderen Bereichen. So gibt es zum Beispiel 
bis heute kein zugelassenes Mittel zur Bekämpfung von Drahtwürmern. Am Ende 
kommen weniger regional erzeugte Kartoffeln auf den Markt und müssen durch 
Importe unterschiedlichster Herkünfte ausgeglichen werden.

"Auf die gesellschaftspolitische Forderung, den chemischen Pflanzenschutz 
deutlich zurückzufahren, kennen die Kartoffelbauern in Zeiten sich verändernder 
Schadbilder sowie neu auftretender Schädlinge keine Antwort. Gemeinsam müssen 
Antworten und tragfähige Übergangslösungen gefunden werden. Sonst droht die 
Kartoffelproduktion aus Deutschland abzuwandern, mit den entsprechenden 
negativen Folgen auf die lokalen Märkte, auf die Wertschöpfung in den
ländlichen
Gebieten sowie die mittelständisch geprägte Kartoffelwirtschaft. Nicht zuletzt 
fehlt mit der Hackfrucht Kartoffel ein wichtiges Glied in der Fruchtfolge und 
die Anbau- und Sortenvielfalt würde weiter reduziert. Dies gilt es zu verhindern
und dem wertvollen Nahrungsmittel Kartoffel auch zukünftig einen festen Platz in
einer vielfältigen Fruchtfolge zu geben", so Hennies.

Pressekontakt:

Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e. V.
Dr. Manuela Specht
Tel. +49 30 31904-298
E-Mail: m.specht@ufop.de
 https://ww.ufop.de 
 https://twitter.com/ufop_de 

Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e. V.
Dr. Sebastean Schwarz
Tel. +49 30 65799384
Fax +49 30 65799385
E-Mail: s.schwarz@unika-ev.de
 https://www.unika-ev.de 

Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
Martin May
Tel. +49 69 2556-1249 oder +49 151 54417692
Fax +49 69 2556-1298
E-Mail: may.iva@vci.de
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OTS:               Industrieverband Agrar e.V. (IVA)