Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die Dringlichkeit verstärkter Anstrengungen zur Sicherung von Fachkräften betont, über die der Bundestag am Morgen in einer Debatte beraten wird. "Fachkräftesicherung ist Wohlstandssicherung, und wenn wir das nicht hinbekommen, kostet uns das Wachstum", sagte Heil im ARD-Morgenmagazin. "Es fängt jetzt erst an", hob er hervor. Ab 2025 verließen die geburtenstarken Jahrgänge zusätzlich den Arbeitsmarkt. Die vom Regierungskabinett beschlossene Fachkräftestrategie sieht eine Aus- und Weiterbildungsoffensive, Maßnahmen für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen, verbesserte Arbeitsbedingungen und eine erleichterte Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt vor.

Mit dem Maßnahmenpaket der Fachkräftestrategie will die Bundesregierung laut Arbeitsministerium Anstrengungen der Wirtschaft unterstützen, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Fünf Handlungsfelder sollen dabei zentral sein: zeitgemäße Ausbildung, gezielte Weiterbildung, Arbeitspotenziale wirksamer zu heben und die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, eine Verbesserung der Arbeitsqualität und ein Wandel der Arbeitskultur sowie die Einwanderung zu modernisieren und die Abwanderung zu reduzieren.

"Im Moment ist die Lage am Arbeitsmarkt durch Fachkräftemangel geprägt, weil wir eine gute Lage am Arbeitsmarkt haben", betonte Heil. Es gelte, die inländischen Potenziale stärker zu heben, von der Ausbildung über die Berufsorientierung, ab der fünften Klasse in jeder Schulform. "Wir brauchen nicht nur Master, wir brauchen auch Meister", hob der Arbeitsminister hervor. Es müsse eine höhere Frauenerwerbsbeteiligung erreicht werden, und es gelte, Langzeitarbeitslose durch Qualifizierung in Arbeit zu bringen. "Diese Register müssen wir alle ziehen", forderte Heil. Zusätzlich brauche man qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland.


Neuer Schub für Qualifizierung 

Die gezielte Aus- und Weiterbildung der in Deutschland lebenden Menschen soll nach der Strategie mit einer Ausbildungsgarantie, einer Bildungszeit und einem Qualifizierungsgeld gestärkt werden. Ein wichtiger Baustein der Strategie soll auch eine Exzellenzinitiative Berufliche Bildung sein, mit der das Bundesbildungsministerium "für neuen Schub in der Fachkräftesicherung und Qualifizierung sorgen" will. Gerade die Gymnasien sollen für eine bildungswegoffene Berufsorientierung stärker einbezogen werden.

Der anstehende langfristige Strukturwandel werde nur mit "ausreichend vielen geschickten Händen und klugen Köpfen" erfolgreich zu bewältigen sein, heißt es laut Bundestag in einer Unterrichtung der Regierung. Die Fachkräftebasis zu sichern und zu erweitern, sei entscheidend für die Innovations- und Leistungsfähigkeit auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Sie sei ebenso essentiell, um flexibel auf neue Herausforderungen und vorausschauend auf absehbare Veränderungen am Arbeitsmarkt reagieren zu können. "Fachkräftesicherung trägt somit auch dazu bei, unsere sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen", schreibt die Bundesregierung. Sie sei eine "prioritäre Aufgabe der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik".

In der Strategie werden laut den Angaben nicht nur die Ursachen des Fachkräftemangels und die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie und des Ukraine-Krieges erläutert. Die Regierung gibt auch einen Ausblick auf den Fachkräftebedarf bis 2026: Demnach zeige sich, "dass nach aktuellen Ergebnissen des Fachkräftemonitorings etwa 240.000 Arbeitsplätze mehr neu zu besetzen sind, als Arbeitskräfte verfügbar sein werden". Das damit einhergehende Fachkräfteparadox, also die zunehmende Gleichzeitigkeit von Fachkräftemangel in einigen Branchen und Regionen und der Arbeitsplatzabbau in anderen Branchen und Regionen, werde in Zukunft weiter zunehmen.

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January 20, 2023 03:25 ET (08:25 GMT)