Von Stella Yifan Xie

HONGKONG (Dow Jones)--Auch im Reich der Mitte ist Inflation ein Thema. Als Chinas Fabrikpreise in diesem Jahr in die Höhe schnellten, befürchteten die Investoren, dass das Land zu einer neuen Inflationsquelle für den Rest der Welt werden würde. Stattdessen hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aber dazu beigetragen, einen Teil des durch die Pandemie verursachten Preisdrucks zu mildern, und wahrscheinlich bleibt das auch so - zumindest für eine Weile.

Chinas Wirtschaft ist weit davon entfernt zu überhitzen. Sie ist also nicht wirklich ein Haupttreiber der Nachfrage, die die Preise für Rohstoffe und Konsumgüter weltweit in die Höhe treibt, wie Ökonomen argumentieren. Und während einige chinesische Fabriken in diesem Jahr Preiserhöhungen an westliche Käufer weitergegeben haben, absorbieren viele auch die höheren Kosten für Rohstoffe wie Kupfer und Eisenerz selbst. Das hat dazu beigetragen, dass die Preise für Konsumgüter anderswo nicht noch stärker gestiegen sind, obwohl es auch niedrigere Gewinne für einige chinesische Fabrikbesitzer bedeutet hat.


 
Als Fabrik der Welt drückte China die Preise 
 

"Die Erfahrungen aus der Pandemie legen nahe, dass China immer noch eine wichtige Rolle dabei spielt, zu verhindern, dass die globalen Preise noch viel höher steigen", hat Hui Shan, Chefökonomin für China bei Goldman Sachs, beobachtet. Chinas Rolle bei der Steuerung der globalen Preise war schon immer komplex. Sein Aufstieg in den vergangenen Jahrzehnten zur Fabrik der Welt brachte Millionen von Niedriglohnarbeitern in den Arbeitskräftepool und half, Konsumgüter wie Jeans und Sofas für alle billiger zu machen. Aber es gab auch Zeiten, in denen Chinas Wachstum die Inflation in andere Länder exportierte, hauptsächlich durch höhere Rohstoffpreise.

In den frühen 2000er Jahren trieb die chinesische Energienachfrage die Ölpreise in die Höhe. Nach der globalen Finanzkrise 2008 setzte Peking Hunderte von Milliarden Dollar als Konjunkturprogramm für den Bau von Brücken und Wohnungen frei, was die Metallpreise in die Höhe trieb. Während der Pandemie verzichtete die chinesische Führung jedoch auf exzessive Infrastrukturausgaben, da sie eine weitere Verschuldung und das Risiko von Vermögensblasen in Bereichen wie dem Wohnungsbau vermeiden wollte. Die chinesischen Behörden bremsten neue Bankkredite, die in den Immobiliensektor flossen, und gingen dazu über, die Spekulation mit Rohstoffen einzudämmen, wodurch der Appetit des Landes auf Metalle etwas gedämpft wurde.


 
Diesmal heizt der Westen die globale Inflation an 
 

"Die Rolle Chinas als Konsument von Rohstoffen ist dieses Mal viel kleiner", meint Volkswirtin Michelle Lam von Société Général. Ein größerer Treiber der Inflation, so Frau Lam und andere Ökonomen, waren die gigantischen fiskalischen Stimulierungsausgaben in den westlichen Volkswirtschaften. So trugen zu einem Immobilienboom und mehr Appetit auf Konsumgüter bei, was viele Rohstoffpreise auf Mehrjahreshochs trieb. Während der chinesische Erzeugerpreisindex im Mai auf ein fast 13-Jahres-Hoch sprang, bevor er im Juni leicht zurückging, wurde er stark durch höhere Importpreise für Öl und andere Rohstoffe verzerrt, auf die China wenig Einfluss hat. Das hat kaum Auswirkungen auf die Verbraucherinflation des Landes, die deutlich unter dem offiziellen Ziel von rund 3 Prozent für das Jahresende blieb.

"China ist dieses Mal ein Preisnehmer und hat tatsächlich Inflation importiert", erklärt Chefökonom für China Larry Hu von der Macquarie Group. Xu Jinwei, Gründer der Yangjiang Hopefine-Hardware-Fabrik in der südlichen Provinz Guangdong, geht von einem Anstieg der Preise für Rohstoffe wie Gummi in diesem Jahr um etwa 20 Prozent aus. Aber die Firma, die Werkzeuge für den Außenbereich und Flaschenöffner herstellt, hat die Exportpreise bisher nur um etwa 8 Prozent erhöht und plant keine weiteren Erhöhungen, da sie sonst Gefahr läuft, Aufträge zu verlieren.


 
"Wettbewerb ist sehr grausam" 
 

"In unserer Branche ist der Wettbewerb sehr grausam", klagt Xu. Die Bereitschaft der Fabrikbesitzer, höhere Kosten an westliche Käufer weiterzugeben, wird auch durch die Aussicht eingeschränkt, dass die westliche Nachfrage in diesem Jahr abflauen könnte. So könnten westliche Verbraucher weniger Produkte kaufen und mehr für Essen gehen und Reisen ausgeben. Ökonomen diskutieren auch, wie lange China dazu beitragen kann, den globalen Inflationsdruck zu lindern. Während Chinas Wirtschaft reift, nimmt die Fähigkeit des Landes ab, weiterhin billige Arbeitskräfte anzuzapfen. Die Arbeitskosten sind stetig gestiegen, und China hat nun mit einem schrumpfenden Pool an jungen Arbeitskräften zu kämpfen, die bereit sind, lange in den Fabriken zu schuften.

Einige Ökonomen weisen darauf hin, dass Chinas jüngste Kampagne zur Senkung der Treibhausgasemissionen im Laufe der Zeit die inländische Produktion von Metallen wie Stahl und Aluminium verringern dürfte. Das wiederum könnte den Aufwärtsdruck auf die Weltmarktpreise verstärken. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass China in naher Zukunft zu einem großen Inflationstreiber wird, wie es von Ökonomen heißt.


 
Importpreise aus China in die USA weniger als geklettert als die aus der EU 
 

Während die Importpreise aus China in die USA in den zwölf Monaten bis Mai um 2,7 Prozent zulegten, war dies weniger als der Gesamtanstieg der US-Verbraucherinflation von 5 Prozent im gleichen Zeitraum. Die Preise für Waren, die aus Mexiko und der EU verschifft wurden, stiegen schneller, nämlich um jeweils 4,8 Prozent und 6,5 Prozent, so Daten der US-Statistikbehörden.

"Reshoring" oder die Verlagerung von Lieferketten aus China heraus wegen steigender geopolitischer Spannungen könnte zu mehr Inflation führen, wenn die Arbeit an Orte verlagert wird, die nicht so kosteneffizient sind, meint Shan von Goldman Sachs. Andere Billigproduzenten wie Vietnam und Indien haben immer noch damit zu kämpfen, die Pandemie einzudämmen und die volle Produktionskapazität aufrechtzuerhalten. "Dies ist eine wirklich dynamische Situation, die es wert ist, genau beobachtet zu werden", fügt sie hinzu.

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July 19, 2021 09:26 ET (13:26 GMT)