BERLIN (dpa-AFX) - Beim Streitthema Familiennachzug von Flüchtlingen haben Union und SPD eine Einigung gefunden. Ab August sollen auch Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus wieder Angehörige nach Deutschland nachholen dürfen - aber nur in eng begrenztem Umfang. Die SPD-Spitze feierte den Kompromiss am Dienstag als Ausweitung der bisherigen Regelung. Vertreter von CDU und CSU betonten hingegen, dass es ab dem 1. August endgültig keinen Anspruch mehr auf Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte gebe.

Dem Kompromiss zufolge soll der Nachzug bis zum 31. Juli ausgesetzt bleiben. Darüber soll der Bundestag schon am Donnerstag abstimmen, am Dienstagabend trifft sich der Hauptausschuss zu einer vorbereitenden Sitzung. Ab August gilt eine Grenze von 1000 Menschen pro Monat. Hinzu kommt eine Härtefallregelung. Eine solche allgemein formulierte Klausel gibt es zwar schon; im Sondierungspapier ließen beide Seiten aber offen, ob sie weiterhin für den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus gelten soll. Die genauen Details für eine dauerhafte Neuregelung werden bis August ausgearbeitet. Im Jahr 2017 wurde nur einigen Dutzend subsidiär Geschützten auf Basis der Härtefallregelung der Familiennachzug erlaubt.

SPD-Chef Martin Schulz schrieb in einer Botschaft an die Parteimitglieder: "Die SPD hat sich mit einer guten Einigung beim Familiennachzug durchgesetzt." Er sprach von einer "deutlich weitergehenden Härtefallregelung", wie vom Parteitag verlangt. Fraktionsvize Eva Högl sprach auch von einem Erfolg: "Die SPD hat sichergestellt, dass ab 1. August 2018 der Familiennachzug auch für Familien von subsidiär Geschützen dann endlich wieder möglich ist."

Unionsvertreter zeigten sich ebenfalls zufrieden, setzten aber einen anderen Akzent. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer betonte: "Ab 1. August gibt es keinen generellen Anspruch mehr auf Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus." Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) betonte: "Auch in Zukunft wird es keinen Anspruch auf Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten geben." Ein Rechtsanspruch wird im zwischen den Parteien vereinbarten Änderungsantrag zum relevanten Gesetz ausgeschlossen.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem "klugen und ausgewogenen Kompromiss". "Die Kontingentlösung bietet die notwendige Gewähr dafür, dass unsere Integrationsfähigkeit nicht überfordert wird. Die bestehende Härtefallregelung bleibt in Kraft und wird damit weiterhin wie bisher angewendet." Bereits in ihren Sondierungsgesprächen hatten Union und SPD vereinbart, den Familiennachzug künftig auf 1000 Menschen pro Monat zu begrenzen. Die SPD hatte angekündigt, bei den Koalitionsverhandlungen eine weitergehende Härtefallregelung erreichen zu wollen.

Der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt, erkannte dagegen keine Fortschritte gegenüber den Sondierungsvereinbarungen. Die SPD im Bundestag dürfe deshalb nicht für die Übergangslösung bis Ende Juli stimmen, zumal die große Koalition noch nicht beschlossene Sache sei. Die SPD-Basis soll nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen über das Ergebnis abstimmen. "Man stelle sich nur mal vor, dass die Mitglieder die große Koalition ablehnen und die Abgeordneten hätten schon einem "theoretischen" Kompromiss zugestimmt", so Bozkurt.

Auch Juso-Chef Kevin Kühnert übte scharfe Kritik. "Die SPD geht beim Familiennachzug in Vorleistung und bekommt von der Union dafür ungedeckte Schecks", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). "Es ist vollkommen unklar, ob eine ergänzende Härtefallregelung, die mehr als 1000 Menschen pro Monat den Familiennachzug ermöglichen soll, wirklich kommt und wie diese Regelung aussehen würde. Die "Regelung 1000+', mit der die SPD jetzt wirbt, ist auf Grundlage der veröffentlichten Informationen leider nicht mehr als eine vage Hoffnung." Kühnert ist gegen eine Neuauflage der großen Koalition.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Roth zeigte sich tief enttäuscht. "Diese Einigung ist vor allem eine schreckliche Nachricht für die Kinder und Eltern, die seit über zwei Jahren darauf warten, sich endlich wieder in die Arme schließen zu können", beklagte sie.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Sevim Dagdelen, erklärte: "Familiennachzug bleibt die Ausnahme und gleicht einem Lottospiel zulasten Tausender Frauen und Kinder." Der Paritätische Wohlfahrtsverband reagierte ähnlich. "Faktisch ist die Zahl von Geflüchteten, die davon profitieren, bereits jetzt minimal. Trotzdem versucht uns die SPD dies als Verhandlungserfolg zu verkaufen", so der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands, Ulrich Schneider./ctt/hrz/jac/rm/bk/hoe/DP/she