--Ministerium: Schuldenbremse ohne Ausnahme erstmals seit 2019 eingehalten

--Neuverschuldung von 39,0 Milliarden Euro geplant

--Union fordert "komplett neuen Haushalt"

(NEU: weitere Stellungnahmen)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Das Bundesfinanzministerium hat den Abschluss der Beratungen über das Budget des Bundes für 2024 im Bundestags-Haushaltsausschuss als "wegweisenden Beschluss" gewertet. Die Schuldenbremse werde "ohne Ausnahme erstmals seit 2019 wieder eingehalten", erklärte das Ministerium über den Kurznachrichtendienst X. Die Opposition übte aber scharfe Kritik. Die Ausgaben liegen laut dem Beschluss bei 476,8 Milliarden Euro, vorgesehen ist eine Neuverschuldung von 39,0 Milliarden Euro. Das Ministerium hob hervor, es gebe "Rekord-Investitionen" in Höhe von 70,5 Milliarden Euro. "Die Trendwende im Haushalt nimmt Gestalt an", betonte das Haus von Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Die Opposition kritisierte den Haushaltsplan allerdings deutlich. "Inhaltlich glauben wir, brauchen wir einen komplett neuen Haushalt", sagte der Unions-Haushaltsexperte Christian Haase (CDU). Es würden immer noch die falschen Schwerpunkte gesetzt. "Die Ampel ist nach wie vor nicht bereit, über ihre eigenen Projekte überhaupt mal nachzudenken", kritisierte er. Sie spare nicht oder nur wenig, der Rest seien Mehrbelastungen. "Deswegen glauben wir insgesamt, müssen wir einen vollkommen neuen Haushalt haben, der innere und äußere Sicherheit auf der einen Seite priorisiert und auf der anderen Seite das Thema Wirtschaftsstimulierung."

Haase betonte, es gebe "zwei verfassungsrechtlich bedenkliche Fragen" in dem Budget: Zur Anrechnung der Sondervermögen werde die Buchungsregel immer noch nicht so angewandt, wie es das Bundesverfassungsgericht vorschreibe, und die Ersatzbeschaffung für an die Ukraine abgegebene Bundeswehrmaterialien solle jetzt aus dem Sondervermögen finanziert werden. Den "haushaltspolitischen Handlungsbedarf" für 2025 bezifferte er auf 36 Milliarden Euro. Zur Schuldenbremse erklärte er zudem, die Union sei nicht bereit, "an irgendeiner Grundgesetzänderung mitzuarbeiten".

Auch der AfD-Haushaltsexperte Peter Boehringer bemängelte, das Sondervermögen für die Bundeswehr werde zweckmissbraucht für die Wiederbeschaffung von Material, das an die Ukraine bereits abgegeben wurde. Das sei laut dem entsprechenden Finanzierungsgesetz für das Sondervermögen "nicht zulässig". Überhaupt habe sich die Koalition "überall bedient" und "reine Trickserei" betrieben. "Hier fehlen die ganzen Nebenhaushalte, und das war ja auch der Sinn und Zweck der Übung von Anfang an", sagte er. Deshalb rede man in Wirklichkeit von etwa 38 Milliarden Euro Verschuldung über der verfassungsrechtlichen Obergrenze.


   Endgültiger Beschluss Anfang Februar 

Die Abgeordneten des Ausschusses hatten bis Donnerstagabend letzte Änderungen am Haushaltsentwurf vorgenommen. Das Budget soll nun bis Anfang Februar endgültig von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden; die abschließende Sitzung der Länderkammer dazu ist für den 2. Februar geplant. "Besonders wichtig war uns, dass wir auch weiterhin aus dem Bundeshaushalt Investitionsprojekte in Kommunen für öffentliche Infrastruktur, Daseinsvorsorge und den Klimaschutz direkt unterstützen können", erklärten die Koalitions-Haushaltssprecher Dennis Rohde(SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP).

Ein Vorschlag der Regierung zum Klima- und Transformationsfonds werde hier korrigiert. So gebe es zusätzliche Mittel zur energetischen Sanierung kommunaler Einrichtungen und zur Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel. Um die Bauwirtschaft zu stärken, soll nun 1 Milliarde Euro zusätzlich in den klimafreundlichen Neubau investiert werden. Darüber hinaus könne man durch Umschichtungen unter anderem "die Entwicklung neuer Batterietechnologie und das Aktionsprogramm 'Natürlicher Klimaschutz' im Haushalt absichern", so die drei Koalitionspolitiker.

Anders als zunächst geplant verzichteten die Haushälter auf eine Rückforderung von 1,5 Milliarden Euro an die Bundesagentur für Arbeit (BA). BA-Chefin Andrea Nahles hatte dies mehrfach gefordert. "Mit dem Verzicht auf eine Entnahme der Rücklage der Bundesagentur für Arbeit stellen wir sicher, dass der Haushalt verfassungsgemäß ist", sagte Kindler. Rohde erhob seinerseits schwere Vorwürfe in Richtung Union: "Wir haben gestern eine CDU/CSU-Fraktion erlebt, die sich der demokratischen Auseinandersetzung entzogen hat", sagte er bei einer Pressekonferenz.

Mit dem Haushalt sind als Konsequenz aus dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts Einschnitte auf zahlreichen Feldern verbunden. Darunter sind die umstrittenen schrittweisen Kürzungen beim Agrardiesel, gekürzt werden aber auch Mittel für Entwicklungshilfe und zahlreiche Klimaschutzprojekte sowie bei Sozialversicherungen. Unter anderem fallen die Strom- und Gaspreisbremsen weg, und Bundeszuschüsse für die Rentenversicherung sinken noch einmal um 600 Millionen Euro. Gestrichen wurde die Kaufprämie für Elektroautos, und der CO2-Preis wurde bereits zu Jahresbeginn stärker erhöht als geplant. Auch soll die Ticketsteuer für Flugreisen ab Mai steigen.

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January 19, 2024 06:30 ET (11:30 GMT)