Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)-Wirtschaftsexperten haben Kritik an der geplanten temporären Senkung der Energiesteuer auf Spritpreise geübt. Bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsfinanzausschuss forderten sie weitere Schritte, um Unternehmen und Verbrauchern unter die Arme zu greifen. Für das Ifo-Institut ist die Verringerung der Benzin- und Dieselsteuer von Juni bis August keine effektive und effiziente Option. Das deutsche Handwerk sieht in der Absenkungen einen ersten richtigen Schritt, dem allerdings weitere Entlastungen folgen müssten. Klimaexperten befürchten zudem, dass ein nennenswerter Teil des Tankrabatts in den Taschen der Mineralölkonzerne landen könnte.

"Energiepreise erfüllen eine wichtige Signalfunktion. Eine Reduktion der Energiepreise schwächt diese Signalfunktion und damit die Anreize von Haushalten und Unternehmen, auf Knappheit angemessen zu reagieren und den Kraftstoffverbrauch zu senken", erklärte das Ifo-Institut in einer Stellungnahme für die öffentliche Anhörung zur geplanten Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe.

Sinnvoller als die dreimonatige Steuersenkung wäre es, die vorgesehenen Mittel etwa in Maßnahmen zur Energieeinsparung auf den Weg zu bringen oder eine weitere Einmalzahlung an einkommensschwache Bürger zu finanzieren. Außerdem sei es offen, ob es tatsächlich zu einer Weitergabe der Steuersenkungen an Haushalte und Unternehmen kommen werde, so das Ifo-Institut.

Die Bundesregierung plant, die Energiesteuersätze für die Kraftstoffe Diesel, Benzin, Erdgas und Flüssiggas von Juni bis August zu senken. Benzin verbilligt sich um 30 Cent und Diesel um 14 Cent pro Liter. Das Vorhaben soll laut Bundesregierung 3,15 Milliarden Euro kosten.


   Handwerk will Tankrabatt bis Ende des Jahres 

Für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ist die geplante Senkung der Energiesteuersätze lediglich ein erster richtiger Schritt. Die temporäre Absenkung sollte bis Ende 2022 ausgedehnt werde, da die Auswirkung des Ukraine-Kriegs auf die Energiepreise andauern werde. Außerdem sollte wegen der hohen Produktionskosten auch die Energiesteuer auf die übrigen Energieerzeugnisse, und nicht nur Kraftstoffe gesenkt werden.

Denn viele Handwerksbetreibe seien angesichts der hohen Energiepreise und der Transformation hin zur Klimaneutralität zum Teil mit existentiellen Herausforderungen durch die extrem gestiegenen Energiepreise konfrontiert. "Die jetzt vorgeschlagenen Entlastungen reichen hierfür nicht aus", so der ZDH in einer Stellungnahme.


   BDI vermisst Entlastung für produzierende Firmen 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält es zwar für richtig, die extreme Steigerung der Preise insbesondere für denjenigen Teil der Bevölkerung abzufedern, der eine besondere Last trägt. Allerdings bezweifelt der BDI, dass diese auf drei Monate begrenzte Absenkung der Energiesteuern auf Kraftstoffe die Produktionskosten senken und somit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken werde.

"Die Ausweitung bereits bestehender Entlastungsinstrumente - Entfernungspauschale, Wohngeld und Heizkostenzuschüsse - hätte hier einen gezielteren Unterstützungseffekt", erklärte der BDI in einer Stellungnahme. Außerdem kämen die Unternehmen zu kurz.

Für die Abfederung der Belastungen für die Wirtschaft müssten vielmehr die Energiesteuern auf Heizstoffe und auch die Stromsteuer gesenkt werden, um einen Entlastungseffekt zu bewirken. "Heizstoffe und Strom sind wesentlich bedeutsamer für die Produktionsprozesse und auch hinsichtlich der Steuerlast der Unternehmen", so der BDI. Nötig sei eine Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß.


   Hälfte der Entlastung könnte bei Ölkonzernen landen 

Der Klimaexperte Matthias Kalkuhl vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) sieht die Absenkung der Energiesteuer als problematisch an.

Die Erfahrung während der temporären Mehrwertsteuersenkung im Zuge der Corona-Pandemie hätte gezeigt, dass solche Subventionen nicht vollumfänglich weitergegeben werden. "Gerade in einer Situation angespannter Märkte mit kurzfristigen Versorgungsengpässen könnte aber die Weitergabe noch niedriger ausfallen", erklärte Kalkuhl mit Blick auf die Kraftstoffe in einer Stellungnahme. "Es ist daher davon auszugehen, dass von dem angesetzten Entlastungsvolumen von 3,15 Milliarden Euro etwa die Hälfte bei Mineralölkonzernen und Ölexporteuren landen könnte."

Außerdem verringere die Steuersenkung den Anreiz, Kraftstoffe einzusparen. Dies sei jedoch gerade essenziell, wo Deutschland russische Energieimporte zurückfahren wolle oder gar durch kurzfristige Lieferstopps mit weiteren Angebotsengpässen konfrontiert werden könnte.

Zudem würde die Steuersenkung überproportional stark die Haushalte mit mittlerem Einkommen entlasten, da Haushalte mit geringem Einkommen seltener Kraftfahrzeuge besäßen und im Durchschnitt ein geringeres Fahraufkommen vorwiesen.

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May 16, 2022 08:23 ET (12:23 GMT)