Frankfurt (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrem Zinserhöhungskurs im Kampf gegen die Inflation den Fuß etwas vom Gas genommen.

Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, die Schlüsselsätze um einen viertel Prozentpunkt nach oben zu setzen. Es ist bereits die siebte Zinserhöhung in Folge. Noch im März hatten sie die Zinsen um einen halben Prozentpunkt angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Finanzinstitute für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit künftig bei 3,25 Prozent. Konkrete Aussagen zum künftigen Zinskurs machten die Währungshüter zunächst nicht. Die EZB erklärte lediglich, sie sei bereit, alle ihre Instrumente im Rahmen ihres Mandats anzupassen, um sicherzustellen, dass die Inflation mittelfristig zum Zielwert von zwei Prozent zurückkehre.

"Die Gesamtinflation ist in den letzten Monaten zurückgegangen, der zugrunde liegende Preisdruck ist jedoch nach wie vor hoch", stellte die EZB fest. Die bisherigen Zinserhöhungen wirkten sich bereits stark auf die Finanzierungsbedingungen aus. Weiterhin bleibe aber unsicher, wie kräftig die Auswirkungen auf die Realwirtschaft ausfallen und mit welcher Verzögerung sie eintreten würden. Die künftige Beschlüsse der Währungshüter sollen laut der EZB dafür sorgen, dass die Zinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht würden, damit die Inflation zeitnah wieder auf zwei Prozent sinke. "Dieses Niveau wird so lange aufrechterhalten wie erforderlich", erklärte die EZB. Sie will bei ihrem Kurs weiterhin auf Sicht fahren.

ÖKONOMEN - EZB WIRD WEITER AN ZINSSCHRAUBE DREHEN MÜSSEN

"Die EZB tritt auf die Bremse, sie zieht aber nicht die Handbremse an", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank die Beschlüsse. Da der Inflationsdruck nur langsam nachlasse, werde die EZB auf ihren kommenden Sitzungen weiter an der Zinsschraube drehen müssen. Auch aus Sicht von Ralf Umlauf, Volkswirt bei der Helaba hat die EZB noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.

Die Währunghüter kündigten zudem an, den Bilanzabbau zu beschleunigen. Im Zentrum stehen dabei die rund 3,2 Billionen Euro schweren Bestände an Papieren aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme - APP). Die Notenbank will nun ab Juli die Reinvestitionen ganz stoppen. Aktuell werden die Bestände aus dem APP-Programm bereits abgebaut, da die Tilgungsbeträge von Papieren bei Fälligkeit nicht mehr vollumfänglich reinvestiert werden.

Die Währungshüter hatten im Juli 2022 nach Jahren der ultra-lockeren Geldpolitik die Zinswende vollzogen und haben seitdem einschließlich des neuen Schritts die Schlüsselsätze in rasantem Tempo um insgesamt 3,75 Prozentpunkte angehoben. In den USA hat die US-Notenbank Fed am Mittwoch die Zinsen ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte hochgesetzt auf die neue Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent und steuert nun auf eine Pause zu. Auch Sorgen an den Börsen um die Stabilität der Banken, die durch die Rettungsübernahme der First Republic in den USA durch den Branchenriesen JP Morgan erneut angefacht worden waren, hatten dazu beigetragen.

NOCH KEIN SIEG ÜBER DIE INFLATION

Für die EZB ist der Kampf gegen den anhaltenden Preisschub in der 20-Ländergemeinschaft noch nicht gewonnen. Denn die Inflation liegt weiterhin deutlich über der angestrebten Notenbank-Zielmarke von zwei Prozent. Im April stieg die Teuerungsrate sogar leicht an auf 7,0 Prozent, nachdem sie noch im März auf 6,9 Prozent gesunken war von 8,5 Prozent im Februar. Die viel beachtete Kernrate, bei der die schwankungsreichen Energie- und Rohstoffpreise herausgerechnet sind, ging zudem im April nur minimal auf 5,6 Prozent von 5,7 Prozent im März zurück. Dies treibt viele Euro-Wächter um. Denn das könnte anzeigen, dass die Zeit der hohen Inflationsraten womöglich noch länger anhalten könnte als bislang gedacht.

Andererseit entfalten die bisherigen Schritte bereits ihre Wirkung. So ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Euro-Zone im ersten Quartal nur noch minimal um 0,1 Prozent zum Vorquartal gewachsen. Zudem zeigt die jüngste Umfrage der EZB unter Banken zur Kreditvergabe, dass sich Nachfrage der Unternehmen nach Darlehen bereits abschwächt. Zudem sind die Kreditstandards für Firmendarlen zuletzt deutlich verschärft worden.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Frank Siebelt und Reinhard Becker und Rene Wagner