Kommentare, Einschätzungen und Entwicklungen zur Energieversorgung und -sicherheit in Deutschland:


Wirtschaftsweise fordert "Schutzschirm" für Gasversorger 

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Gaskrise zum Handeln aufgefordert. "Wenn die russischen Lieferungen für eine längere Zeit ausbleiben, so müssen die Versorger die Mengen zu hohen Preisen am Gasmarkt einkaufen, um ihre Kunden weiter zu versorgen", sagte sie dem Handelsblatt. Das könne bei den aktuellen Preisen zu "enormen Mehrkosten" führen. Grimm warnte, allein die Ersatzbeschaffung könne daher schon zu Liquiditätsproblemen auch bei großen Konzernen führen, wenn die Unternehmen die Preise nicht zeitnah an ihre Kunden weitergeben können. Die Ökonomin brachte einen "Schutzschirm für die betroffenen Unternehmen" ins Spiel, der durch Kredite im Rahmen von Hilfsprogrammen ausgestaltet werden könne. Grimm hält es für notwendig, dass die höheren Preise an die Kunden weitergegeben werden. "Denn es ist wichtig, dass die Verbraucher - wo immer möglich - ihre Nachfrage schon jetzt reduzieren, so dass möglichst viel Gas eingespeichert werden kann."


Hamburg will bei Gasmangel Warmwasser rationieren 

Der Hamburger Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat für den Fall eines Gas-Notstandes in der Hansestadt eine Begrenzung der Warmwasser-Mengen für private Haushalte angekündigt. "In einer akuten Gas-Mangellage könnte warmes Wasser in einem Notfall nur zu bestimmten Tageszeiten zur Verfügung gestellt werden", sagte Kerstan der Welt am Sonntag. Auch eine "generelle Absenkung der maximalen Raumtemperatur im Fernwärmenetz" käme in Betracht. "Wenn es uns jedoch nicht gelingt, ausreichend Gas bei den großen Betrieben einzusparen, könnten Lieferbeschränkungen auf uns zukommen, die dann möglicherweise einzelne Stadtteile betreffen." Kerstan kündigte zudem an, dass ein mögliches provisorisches Flüssiggas-Terminal in Hamburg frühestens Mitte kommenden Jahres betriebsbereit wäre. "Wir werden im Laufe des Juli wissen, ob und an welchem Standort ein provisorischer LNG-Terminal in Hamburg machbar ist", sagte er. "Das Gas könnte dort voraussichtlich ab Mai 2023 umgeschlagen werden."


 Warnung vor Turbulenzen bei Stadtwerken 

Angesichts der Turbulenzen beim größten deutschen Gasversorger Uniper hat der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vor einer Kettenreaktion gewarnt, die auch die Stadtwerke erfassen könnte. Es sei richtig, dass die Bundesregierung bei Uniper handlungsbereit sei, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing der Rheinischen Post. "Was jetzt dringend folgen muss, ist eine Anpassung des Energiesicherungsgesetzes mit besseren Instrumenten, um die Preisspirale zu dämpfen und die Versorgungssicherheit zu erhalten." Liebing warnte davor, die unmittelbare Weitergabe der gestiegenen Beschaffungskosten an die Kunden zuzulassen. Eben das sei durch Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes möglich. Zum einen helfe diese Preisweitergabe den Stadtwerken wenig, zum anderen würden viele Kunden die höheren Preise nicht zahlen können. "Wenn dann eine kritische Masse an Stadtwerken kippen würde, könnte das eine Kettenreaktion auslösen", sagte Liebing. "Das könnte zu chaotischen Zuständen am Energiemarkt führen, die definitiv


EVP-Chef fordert Sondergipfel zur Gas-Versorgungskrise 

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), fordert wegen der russischen Drosselung der Gaslieferungen einen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs, um einen Plan für eine europaweite Notfallversorgung im Herbst und Winter zu erarbeiten. "Es sollte noch im Juli einen EU-Sondergipfel geben, um verbindliche Maßnahmen für eine gerechte Gasverteilung zu beschließen", sagte Weber in einem Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Die EU muss endlich lernen, sich auf die Krise vorzubereiten und nicht nur auf die Krise dann, wenn sie da ist, mit Hektik und mit Problemen zu reagieren - wie es in der Pandemie geschehen ist", betonte der CSU-Politiker, der die größte Fraktion im Europaparlament führt.


Netzagentur-Chef warnt vor Druckabfall in Gasnetz 

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat vor dramatischen Folgen einer ungleichmäßigen Gasversorgung in Deutschland gewarnt. "In dem Moment, in dem der Druck im Gasnetz in einer Region unter ein gewisses Mindestmaß fallen würde, würde auf einen Schlag in Hunderttausenden Gasthermen die Sicherung einspringen", sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die müssten händisch von geschulten Fachkräften wieder freigeschaltet werden, wenn wieder Gas in der Region verfügbar wäre." Ein solches Szenario könne niemand wollen, "weil es sehr lange dauern würde, die Gasversorgung wiederherzustellen", fügte Müller hinzu. "Also wird es immer das Ziel der Bundesnetzagentur sein, notfalls Reduzierungen beim industriellen Verbrauch anzuordnen, damit dieses Szenario nicht eintritt."


Müller (Netzagentur): Verbraucher werden "schockiert" über Gaspreise sein 

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat vor einer dramatischen Erhöhung der Gaspreise gewarnt. "Viele Verbraucher werden schockiert sein, wenn sie Post von ihrem Energieversorger bekommen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengrupp. "Durch das, was Putin uns bei Nord Stream 1 beschert, ist eine Verdreifachung drin. Und wir können nur mutmaßen, wie es weitergeht." Der staatliche russische Energiekonzern Gazprom hat die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland bereits um 60 Prozent gedrosselt. Mitte Juli will Gazprom die Pipeline einer zehntägigen Wartung unterziehen. Was anschließend geschieht, ist offen. Für eine Aktivierung der sogenannten Preisanpassungsklausel sei heute "noch nicht der Zeitpunkt", fügte Müller hinzu. "Voraussetzung wäre, dass wir förmlich eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen feststellen. Die Wartung von Nord Stream 1 wird bei dieser Frage eine wichtige Rolle spielen."


Brandenburgs Ministerpräsident warnt vor schwerer Wirtschaftskrise 

Kurz vor dem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften zur ersten Runde einer sogenannten Konzertierten Aktion hat sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) pessimistisch zur wirtschaftlichen Zukunft Deutschlands geäußert. "Wir müssen uns ehrlich machen und die Situation so beschreiben, wie sie ist", sagte Woidke dem Handelsblatt. "Wir steuern auf eine schwere Wirtschaftskrise zu." Woidke rechnet damit, dass sich die Energiekrise in den nächsten Monaten weiter verschärfen wird. Die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft würden "deutlich drastischer sein" als das, was momentan diskutiert werde. "Diese Krise wird ein Stresstest für Deutschland." Woidke hält daher ein weiteres Entlastungspaket für unabdingbar. Von dem Treffen zwischen Kanzler und Sozialpartner am Montag erhofft er sich "Vereinbarungen, die der deutschen Wirtschaft helfen, speziell den energieintensiven Unternehmen, die unter den Energiepreisen besonders leiden".

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July 03, 2022 10:49 ET (14:49 GMT)