Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Deutschland hat im neuen Korruptionswahrnehmungsindex der Antikorruptionsorganisation Transparency International wie im vergangenen Jahr 80 Punkte erreicht, fällt aber um einen Platz auf Rang 9 von 179 Plätzen. Im Vorjahr hatte es noch den achten Platz von 180 Plätzen erreicht. Die Organisation mahnte für Deutschland neue Regeln bei der Parteienfinanzierung und beim Lobbyismus an. Die Finanzflüsse bei Parteien, Fraktionen und parteiennahen Stiftungen sollten transparenter gemacht werden.

Der Korruptionsindikator CPI von Transparency International beurteilt Länder auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption).

"Ob illegale Parteispenden, intransparentes Sponsoring, zweckentfremdete Steuermittel oder gestückelte Wahlkampfspenden: Das Ergebnis Deutschlands im CPI darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir bessere Regeln für die Parteienfinanzierung und für den Lobbyismus brauchen", erklärte Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland. "Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl sollten die Parteien hier schnell die Initiative ergreifen."

So sollten die Veröffentlichungsschwelle für Parteispenden auf 2.000 Euro gesenkt werden, um eine Stückelung von Spenden zu verhindern. Zuwendungen an Parteien sollten auf 50.000 Euro pro Spender oder Sponsor, Jahr und Partei gedeckelt werden. Direktspenden an parteigebundene Mandatsträger und Kandidaten sollten bestenfalls gänzlich verboten werden.


Parteisponsoring wie Spenden behandeln 

Die Organisation kritisierte, dass derzeit in Deutschland Parteispenden zu häufig an den gesetzlichen Offenlegungspflichten vorbei fließen und die Parteien vorhandene Gesetzeslücken ausnutzen. Parteiensponsoring sollten daher wie Parteispenden behandelt, niedrigere Veröffentlichungsschwellen und eine Deckelung für Parteispenden sowie eine zeitnahe Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte der Parteien eingeführt werden.

Sponsoring sei trotz Skandalen wie "Rent-a-Sozi" und "Rent-a-Rüttgers" nach wie vor ein großer Graubereich der Parteienfinanzierung. Transparency International fordert daher, Sponsoring nach den gleichen Regeln wie Spenden transparent zu machen. Außerdem sollten staatliche und kommunale Unternehmen vollständig vom Sponsoring an Parteien ausgenommen werden.

"Insbesondere in Wahljahren fließt viel Geld. Die Politik ist gefragt, durch die zeitnahe Veröffentlichung der Wahlkampffinanzierung nach britischem Muster Transparenz zu schaffen", forderte Bäumer. In Großbritannien müssen Spenden im Zeitraum des Wahlkampfs ab einer bestimmten Höhe wöchentlich veröffentlicht werden.

Aber auch unabhängig von Wahljahren sei es nicht nachvollziehbar, warum Spenden erst ab 10.000 Euro in den Rechenschaftsberichten der Parteien auftauchen - und dass, sofern sie unter 50.000 Euro bleiben, erst eineinhalb Jahre später, monierte Transparency International.


Eckpunkte für Politikfinanzierungsbericht 

Die Organisation legte zudem Eckpunkte für einen umfassenden Politikfinanzierungsbericht vor, in dem die Finanzflüsse bei Parteien, Fraktionen und parteiennahen Stiftungen transparenter gemacht werden. Dieser Bericht sollte über die Einnahmen und Ausgaben der wichtigsten (partei-)politischen Akteure Auskunft geben, die staatliche Zuwendungen erhalten und idealerweise einmal jährlich vorgelegt werden, forderte Transparency International.

Auch sollte solch ein Politikfinanzierungsbericht über den Rechenschaftsbericht der Parteien hinaus ebenso die indirekten staatlichen Zuwendungen berücksichtigen und Einnahmen aus Sponsoring gesondert ausweisen. "Der seit Jahrzehnten vom Rechnungshof monierte Missstand der Zweckentfremdung von Fraktionsgeldern aus Steuermitteln für Parteiaufgaben sollte Anlass für eine grundlegende Reform der finanziellen Rechenschaftslegung der Parteien sein", mahnte die Organisation.

Auch von internationaler Ebene wie dem Europarat und den Vereinten Nationen habe es Kritik an der Politikfinanzierung in Deutschland gegeben, betonte Transparency International. Es sei besonders gerügt worden, dass es keine Veröffentlichung von Wahlkampfkonten auf Bundesebene gebe, die Schwelle von 50.000 Euro für die sofortige Meldung von Spenden an politische Parteien nicht gesenkt worden sei, Spenden an Kandidaten zu intransparent seien und die Finanzierung von politischen Parteien, parteinahen Stiftungen und Fraktionen nicht getrennt wurden.


Dänemark und Neuseeland mit geringster Korruption 

Nach dem internationalen Korruptionswahrnehmungsindex herrschte laut Transparency International am wenigsten Korruption demnach in Dänemark und Neuseeland. Südsudan, Somalia und Syrien rangieren als fragile Staaten wie im vergangenen Jahr auf den unteren Plätzen. Weltweit erreichen mehr als zwei Drittel aller Länder eine Punktzahl von unter 50 Punkten, der Durchschnitt liegt bei nur 43 Punkten.

Mit dem Korruptionsindex CPI misst Transparency International die in Politik und Verwaltung wahrgenommene Korruption. Er fasst 13 Einzelindizes von zwölf unabhängigen Institutionen zusammen und beruht auf Daten aus Experteninterviews, Umfragen und weiteren Untersuchungen. Er bezieht sich auf den öffentlichen Sektor und erfasst keine Aktivitäten wie Steuerbetrug, Geldwäsche, illegale Finanzströme oder andere Formen der Korruption im privaten Sektor.

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January 28, 2021 00:00 ET (05:00 GMT)