Die Übersicht in Kurzmeldungen zu Entwicklungen, Ergebnissen und Einschätzungen rund um die bundesdeutsche Politik:


Steinbrück geht auf Distanz zur Schuldenbremse 

Der ehemalige SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück spricht sich für eine Reform der Schuldenbremse aus. "Es muss eine Schuldenbremse geben, aber die jetzige ist erkennbar nicht mehr zeitgemäß", sagte er der Wochenzeitung Die Zeit. "Wir haben einen extremen Investitionsbedarf auf diversen Feldern." Der 76-jährige Steinbrück war Finanzminister der großen Koalition, als die Schuldenbremse 2009 im Bundestag beschlossen wurde. Sein Ministerium hatte den Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Heute sagt er: "Wir leben in einer anderen Zeit als 2009." Eine reformierte Schuldenbremse solle mehr Investitionen erlauben. Für die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen gebe es gute Gründe. "Das sollte eine Schuldenbremse berücksichtigen." Auf die Frage, ob die Schuldenbremse sein Lebenswerk sei, sagte Steinbrück: "Um Himmels willen, nein!" Es sei ein Irrtum zu glauben, dass er "einen Fetisch mit der Schuldenbremse" habe. Aber die Politik neige dazu leichtfüßig Schulden aufzunehmen, "um der Disziplin von Sparmaßnahmen und Konflikten auszuweichen".


Kellner will gemeinsame Kraftanstrengung für Industriegelder 

Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) hat dazu gemahnt, die zugesagten Mittel für Industrieansiedlungen im Zuge der Klimawende besonders in Ostdeutschland trotz der Haushaltskrise aufzubringen. Die vereinbarten Chipfabriken seien Leuchttürme, "aber wir haben natürlich ganz viele Investitionen, die für Ostdeutschland angekündigt sind", sagte Kellner im ARD-Morgenmagazin. "Deswegen ist es so wichtig, dass jetzt diese Mittel dafür auch in einer gemeinsamen Kraftanstrengung bereitgestellt werden", betonte er. "Diese Versprechen, die da gegeben worden sind, die sollte Deutschland einhalten, sonst schaden wir unserem Investitionsstandort." Deswegen redeten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) nun miteinander, um Lösungen zu finden. "Zwischenstände" wollte Kellner aber nicht herausgeben.


Middelberg: Union will Verantwortung übernehmen 

Während die Bundesregierung um Lösungen ringt, wie sie das 60-Milliarden-Euro-Loch im Haushalt stopfen soll, hat sich die Union bereit erklärt, Regierungsverantwortung zu übernehmen. "Wir sind immer bereit, wir stehen für konstruktive Lösungen zur Verfügung", sagte der CDU-Haushaltsexperte und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Mathias Middelberg, dem Sender RTL. "Wir stehen aber auch zur Übernahme von Verantwortung zur Verfügung", hob er hervor. "Aber ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Ich glaube, wir bräuchten da eine komplett neue Konstellation, wenn wir die Dinge wirklich wieder auf Kurs bringen wollen."


BDI: Regierung muss rasch Klarheit schaffen 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht nach Aussage seines Präsidenten Siegfried Russwurm "die aktuelle politische Lage mit größter Sorge". Die zahlreichen offenen Fragen infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verunsicherten Unternehmerinnen und Unternehmer in einer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen und globalen Situation extrem. "Die Bundesregierung muss jetzt rasch Klarheit über den tatsächlichen Umfang der finanziellen Folgen des Urteils schaffen und dann überlegt und strukturiert einen Plan zur Bewältigung der Situation entwickeln und umsetzen", forderte Russwurm. Es sei dringend notwendig, auf allen Politikfeldern, insbesondere bei der Transformation zur Klimaneutralität, zu prüfen, "ob die gewählten Konzepte weiter tragen". Die Unsicherheit in den Unternehmen erhöhe das Risiko, dass wichtige Investitionsentscheidungen aufgeschoben, abgesagt oder zu Lasten des Standortes Deutschland getroffen würden, warnte der BDI-Präsident.


Linnemann: CDU gegen Aufweichen der Schuldenbremse 

Die CDU lehnt ein Aufweichen der Schuldenbremse trotz neuer Diskussionen ab. "Wenn wir die jetzt über Bord werfen, ist die für immer weg", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der Neuen Westfälischen. Die Schuldenbremse sei Ausdruck von Generationengerechtigkeit. Er wundere sich, wie locker man in Deutschland damit umgehe. "Die Schuldenbremse gehört zur CDU, wie der Fisch das Wasser braucht", sagte Linnemann weiter. "Wir sollten an unsere künftigen Generationen denken und daran, dass ein Ende der Schuldenbremse auch die Inflation anheizt." Stattdessen forderte Linnemann, die Ausgabenseite stärker in den Blick zu nehmen. "Wenn der Staat beispielsweise 100.000 Leute aus dem Bürgergeld in einen Job überführt, spart er 3 Milliarden Euro. Bei einer Million Menschen wären das schon 30 Milliarden Euro."


Grünen-Chef will Gespräche über Aussetzen der Schuldenbremse 

Nach der weitgehenden Haushaltssperre warnt Grünen-Co-Chef Omid Nouripour vor den Folgen eines drastischen Sparkurses für die Wirtschaft. "Wir dürfen uns nicht immer tiefer in die Misere sparen", sagte Nouripour der Süddeutschen Zeitung. Er teile die Sorge der Industrie um einen Jobabbau im großen Stil. Deutschland kämpfe mit einem riesigen Modernisierungsstau, während China und die USA Milliardenprogramme für Investitionen auflegten. Auch Deutschland brauche nun Investitionen „in eine Infrastruktur, die funktioniert". Die Grünen wünschten sich in der Koalition auch Gespräche über ein vorübergehendes Aufweichen der Schuldenregeln. "Ich nehme wahr, dass es jetzt in der SPD Stimmen gibt, die eine Aussetzung der Schuldenbremse ins Spiel zu bringen", sagte Nouripour weiter. "Darüber sollten wir reden." Langfristig seien zudem Maßnahmen nötig, um "gescheit vorzusorgen. Wir schlagen beispielsweise seit Jahren eine Reform der Schuldenbremse vor."


CDU wirft Ampel "organisierten Verfassungsbruch" vor 

Die CDU warnt die Ampel-Koalition davor, angesichts des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts den Bundeshaushalt 2024 in der nächsten Woche planmäßig zu verabschieden. "Die Koalition betreibt organisierten Verfassungsbruch", sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Haase, der Bild-Zeitung. "Sie ist aufgefordert, sich den Realitäten zu stellen. Doch halten vor allem SPD und Grüne in verantwortungsloser Art und Weise am offensichtlich unseriösen Haushaltsverfahren fest." Haase mahnte, es "bedarf einer konsequenten Überprüfung der haushaltswirtschaftlichen Gesamtlage für 2024. Der Haushalt 2024 kann in dieser Form aktuell nicht verabschiedet werden, es sei denn SPD und Grüne möchten das Land ins Verderben führen".


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November 22, 2023 03:35 ET (08:35 GMT)